Sonntag, 18. Februar 2007

Armer Papa

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Vaterschaftstests ist der Anlass, über das Wesen der Vaterschaft nachzudenken.
Verfolgt man die Aussagen der Juristen, kann man den Eindruck gewinnen, die biologische Seite der Vaterschaft sei unbedeutend, also Vater sei, wer von Amts wegen als solcher betrachtet werde. Die biologische Vaterschaft wird nur bedeutsam, wenn der Staat zur Vermeidung von Sozialhilfekosten, einen Zahlvater sucht. In diesem Zusammenhang verliert auch das Recht des Menschen auf informelle Selbstbestimmung plötzlich seinen Wert. Das ist aus meiner Sicht nicht konsequent.
Übrigens berücksichtigt das deutsche Recht auch nicht das Phänomen der Leihmutterschaft, d.h. den Fakt, dass eine Frau das Kind einer fremden Frau austrägt. Mutter ist, wer das Kind gebiert, so als sei der Akt des Durchtritts durch den Geburtskanal das Maß aller Dinge.
Wenn die biologische Elternschaft so unbedeutend im Vergleich zur sozialen Elternschaft ist, dann könnte man es auf den Geburtsabteilungen so halten, wie bei Kumpf, dem Safthersteller.
Dort bringt man nämlich die Äpfel aus dem heimischen Garten hin und bekommt im Gegenzug gegen eine verminderte Gebühr Saft von irgendwelchen anderen Äpfeln.
D.h. eine Frau gebiert ein Kind und bekommt irgendein Kind aus dem aktuellen Fundus zur sozialen Mutterschaft zugeteilt.
Denn eines ist klar, die Mutter ist durch die Schwangerschaft auf Kinderpflege geprimt, aber diese Neigung kann durch jedes beliebige Neugeborene gestillt werden. Während der Zeit im Bauch hat die Mutter sicher nicht eine persönliche Beziehung zu dem wachsenden Wesen aufgebaut. Wie nennt man das in der Juristerei so schön: Vor der Geburt ist das Kind im Mutterleib eine vertretbare Sache, also einfach Kind und nicht Günter, Angela oder was weiß ich.
Oder ist biologische Elternschaft doch bedeutsam, für die Eltern aber auch für das Kind?
Wer Vaterschaft entwertet, entwertet damit auch Mutterschaft.

Hier ein erster Link zu diesem Thema:

DIE ZEIT

Armer Papa

Im Streit um Vaterschaftstests werden Väter vor allem als dubiose Figuren dargestellt. Dabei
brauchen sie mehr Zuspruch denn je

Von Jörg Lau

Es wird heute viel über Vaterschaft geredet. Das ist eigentlich erfreulich, denn da gibt es wirklich einiges zu enträtseln: Was es heißen soll, ein guter Vater zu sein, das versuchen heute viele Männer zu erproben. Allerdings: In den erregten Debatten dieser Tage, die um Demografie und um Abstammungstests kreisen, kommen Männer immer nur als Probleme vor. Die einen sind es in den Augen der Frauen nicht wert, Vater zu werden. Die anderen bestreiten mit allen Mitteln, Vater geworden zu sein.
Eine Umfrage der Zeitschrift Eltern for family machte Sensation mit einer neuen Erklärung für die Kinderlosigkeit hierzulande. 44 Prozent der befragten Kinderlosen gaben an, auf Nachwuchs zu verzichten, »weil ihnen der geeignete Lebenspartner fehlt«. Man kann das neutrale Wort »Lebenspartner« hier getrost durch »Mann« ersetzen, denn 89 Prozent der Befragten waren Frauen. Ungefähr jede dritte Kinderlose hält also die verfügbaren Männer für ungeeignet, Vater zu werden.
Neben den »ungeeigneten« Männern bestimmen diejenigen die Schlagzeilen, die ihre Vaterschaft anzweifeln und gar auf gerichtlichem Wege loswerden wollen. In den Fernsehberichten über das Verbot heimlicher Vaterschaftstests sieht man Männer nachts, mit Wattestäbchen bewaffnet, ins Kinderzimmer schleichen, um eine Speichelprobe zu entnehmen. Die geben diese Männer an ein Genlabor in der Hoffnung, sich die lästigen Blagen als erwiesene Wechselbälger vom Leib zu schaffen und sich somit Unterhaltszahlungen entziehen zu können. Vielleicht auch nur in der Absicht, sich fürs Verlassenwerden zu rächen, indem man die Frau in den Verdacht bringt, eine »Schlampe« zu sein. Willkommen in der Welt der Rosenkriege, in der bekanntlich jedes Mittel recht ist, den anderen zu übervorteilen.
Um diese Kriege zu zivilisieren so die Befürworter , will die Justizministerin ein Gesetz, das heimliche Vaterschaftstests verbietet. Damit würde das »informationelle Selbstbestimmungsrecht« des Kindes und der Frau geschützt, der Familienfrieden gewahrt. Gegen dieses Verbot regt sich der Widerwille vieler Männer, weit über den Kreis der Betroffenen hinaus.
Das Unbehagen kommt daher, dass der Staat sich hier in intime Dinge einmischt, die die beteiligten Männer und Frauen besser unter sich ausmachen müssen. Viele Väter fühlen sich ohnehin schon rechtlich diskriminiert. Sie haben es oft schwer, nach Trennung oder Scheidung ihr Recht auf regelmäßigen Umgang auch durchzusetzen, geschweige denn, das Sorgerecht zu erhalten. Zu Unterhaltszahlungen hingegen ist jeder Vater verpflichtet. Aber damit ist die Sache nicht erklärt: Es geht nicht nur um jene »Zahlväter«, die sich um ein Rechtsmittel betrogen sehen. Schätzungsweise werden jährlich 15000 bis 40000 Abstammungstests durchgeführt, bei 730 000 Geburten (2003). Warum sollte ein zahlenmäßig so marginales Problem derart die Öffentlichkeit aufwühlen? Viele Männer stören sich an diesem Verbot nicht deswegen, weil auch sie am liebsten heimlich einen solchen Test machen wollen ,bekanntlich ist ja Vaterschaft immer ungewiss (pater semper incertus). Sie empfinden es aber als ungerecht, dass das Interesse an Klarheit über die Vaterschaft anderen Rechtsgütern informationelle Selbstbestimmung wie selbstverständlich untergeordnet wird. Überhaupt wird das Interesse an biologischer Vaterschaft in der Debatte wie ein böser Atavismus behandelt. Wer einmal erlebt hat, wie Kinder auf die Nachricht reagieren, der vermeintliche Vater sei gar nicht »der richtige«, weiß, wie blauäugig es ist, zu glauben, man könne dieses archaische Interesse an der Herkunft einfach wegwischen.

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