Freitag, 23. Februar 2007

Sollen Frauen arbeiten?

Soll Deine Frau arbeiten? - Auf diese Frage würde ein Bauer nur den Kopf schütteln, ebenso der Wirt, der zusammen mit der Frau eine Gastwirtschaft mit Pension betreibt.

Ja, sie soll arbeiten, d.h. ja, sie muss arbeiten, sonst schaffen wir es nicht, so hätte der Fabrikarbeiter im frühen 20. Jahrhundert und in den Jahrhunderten davor geantwortet und er hätte ergänzt: Die Kinder müssen auch ranklotzen.

Das Vorrecht, sich ausschließlich dem eigenen Haushalt und der Aufzucht der Kinder zu widmen war ein Privileg der Reichen. Bei allen anderen Schichten und Klassen der Bevölkerung musste die ganze Familie mitarbeiten, sonst hätte es zum Leben nicht gereicht.

In sofern kehren wir nun, mit der zunehmenden Berufstätigkeit der Frau, zur Normalität zurück.

Ob Lohnarbeit für die vielbeschworene Selbstverwirklichung gut ist, das wage ich zu bezweifeln. Dass die Menschen gerne und freiwillig arbeiten, das nehme ich ihnen nicht ab, sonst würden sie keinen Lohn verlangen. Wer seinen Hobbys nachgeht lässt sich das ja auch nicht vergüten.

Dass Arbeit, selbst die abhängige Arbeit, auch Positive Aspekte neben dem Gelderwerb hat, will ich nicht bestreiteten. In Wikipedia findet man interessante Abhandlungen zum Thema Arbeit, die ich hier nicht wiederholen will.

Ein Begriff, der mir immer wieder aufstößt, ist der Begriff "Karriere". Mag man darunter ein Synonym für "beruflicher Werdegang" oder "berufliche Laufbahn" verstehen, so schwingt beim Gebrauch in den Medien immer die Bedeutung "steiler beruflicher und sozialer Aufstieg" mit, und das ist im Schnitt eine glatte Lüge. Viele sind berufen, oder fühlen sich berufen, aber nur wenige sind ausersehen. Man vergisst leicht, dass das deutsche "Karriere" von französisch "carrière" kommt und dieses ist verwandt mit dem englischen Wort "carry", was "tragen" bedeutet. Carriére ist im Französischen auch Steinbruch oder Mine und was man trägt (carry), das kann auch eine Last sein.

Es sei jedem gegönnt, einen steilen beruflichen und sozialen Aufstieg hinzulegen, doch alles hat seinen Preis. Der Preis dieses Aufstiegs ist die Last, die man tragen muss, in der Regel lange, harte Arbeitsstunden. Denn man muss besser, schneller, ideenreicher, sozial kompetenter, eindrucksvoller als das Bewerberfeld sein, sonst bleibt man in der Masse stecken. Und dann gehört immer auch eine ordentliche Portion Glück dazu.

Und wer Karriere machen möchte, im von mir beschriebenen Sinne, sollte und kann kein Familienmensch sein, denn für Privates bleibt hier wenig Raum.

Familienmenschen werden selten nach ganz oben streben, sondern auf einer Ebene bleiben, die vom Aufwand an Zeit und Lebensenergie her noch Luft für die Familie lassen. Denn Mobilität und Flexibilität vertragen sich schlecht mit Kindern, wenn man mehr sein will, als der Untermieter, der zufällig die Familie finanziert.

Im Folgenden nun ein Text aus Freitag 19 zum Thema Arbeit. Mir hat die Lektüre Spaß gemacht.


Gerburg Treusch-Dieter

Sie verlassen jetzt die Gegenwart

GESCHICHTSNOTORISCHER, ALLMÄCHTIGER ARBEITSZWANG*"Kein Recht auf Faulheit" verneint ein Recht


Es ist wie eine Ahnung! Man ist an einem Thema dran - und dann kulminiert es!" Danke Andrea Koschwitz! Das ist das Stichwort! Die Hiebe dazu haben wir schon 1998 in der Freitag-Debatte zum Thema Arbeit ausgeteilt! "Wem die Stunde schlägt!" Inzwischen hat sie geschlagen! Volksbühne und Freitag sind kongenial. (Achtung Werbung!) Es handelt sich nicht um Konspiration! Aber, dass sich die Frage der Arbeit grundlegend neu stellt, davon gehen die Weber ebenso wie das Konzept des Themenwochenendes aus, das getreu der Maschine, die in den Webern - als gehöre sie schon der Vorzeit an - auf der Bühne steht, von der Ablösung der Industrie- durch die Informationsgesellschaft ausgeht. Arbeit erfordert heute Flexibilität, Mobilität und Wissen: Eigenschaften, wie sie Durchreisende ohne Aufenthaltsgenehmigung charakterisieren. Sie haben der Route einer Automation zu folgen, die nur ein einziges Ziel im Auge hat: Das Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen. Dass dieses Ziel der Faulheit dient, kann nicht in Zweifel stehen. Aber wehe, dies könnte jemand realisieren! Noch bevor er sich verdrückt (jeder muss mal auf der Durchreise) wird er bereits als "Drückeberger" stigmatisiert.

"Kein Recht auf Faulheit", verneint ein Recht! Und dies ist strafbar! Doch die Schuld wird auf jene projiziert, für die Arbeit heute Nichtarbeit heißt. Sie steht als Arbeitslosigkeit, als Arbeit ohne Arbeitsinhalt, und auch als Freiheit für Tätigkeiten zur Debatte, die sich nicht durch die Form der Arbeit definieren. Antworten, die weiterführen als die Verneinung von Faulheit oder Arbeit werden - noch bevor sie ausgesprochen sind - durch Schlagworte erstickt: Aktien statt Sozialstaat, Rendite statt Revolte, Vernetzung statt Demokratie, Existenzgründung statt Arbeitsplätze, lebenslanges Lernen statt Ausbildung, virtuelle Realität statt Möglichkeiten in der Realität, die Arbeitslosigkeit noch immer in den Termini einer "Arbeitsgesellschaft" verhandelt - die zunehmend fiktiven Charakter annimmt.

Der Expo-Slogan 2000 - "Sie verlassen jetzt die Gegenwart" - bringt ihn auf den Punkt. Wir verlassen also die Gegenwart nicht, wir setzen uns auf ihrem "Bühnenboden" mit der Zukunft der Nichtarbeit auseinander, die von der Geschichte der Arbeit nicht zu trennen ist. Sie hat sich mit dem Bruch zu konfrontieren, der sich durch die Automation vollzieht, die den biblischen Fluch der Arbeit ebenso in Frage stellt wie ihre moderne Totalisierung.

Subjektwerdung hieß "Arbeit an sich selbst" und an der Gesellschaft. Der Verlust der Arbeit ist darum noch immer mit dem Verlust des Selbstwerts identisch. In Reaktion darauf wird das "Recht auf Arbeit" (von 1848) eingeklagt, als ob sie nie mit Unrecht, Raub und "ursprünglicher Akkumulation", nie mit Herrschaft und Unterwerfung, Schuld und Strafe, Lohnarbeit und Kapital, nie mit einem Leben als Überleben, nie mit Ausbeutung und Disziplinierung, nie mit existenzieller Vernichtung etwas zu tun gehabt habe, aber: "Arbeit macht frei", das Motto am Tor von Auschwitz, ist kein nationalsozialistischer Unfall, sondern der Normalfall moderner Subjektwerdung. Schon Hegel zeigt (im Herr-Knecht-Kapitel der Phänomenologie des Geistes, 1807), dass der Verlust des Selbstwerts ihre Bedingung, dass ihr ein Todesurteil vorausgesetzt ist. Denn das Leben des Knechts ist verwirkt, aber er "verdient" es sich durch seine Arbeit im Doppelsinn von materiellem Lohn und ethisch-moralischem Verdienst zurück. Heute ist die Arbeit "frei" von Arbeit: Damit stellt sich die Frage, wie jenes abzuarbeitende Todesurteil noch aufrechtzuerhalten ist?

Diese Frage versetzt die "Herren" der Politik offensichtlich in Panik. Denn sie beschwören die moderne Geschichte der Arbeit mit biblischem O-Ton unisono als Wiederholungszwang in der Form von Arbeitszwang: Jeder kann jede Arbeit verrichten! Ablehnung eines Stellenangebots wird Konsequenzen haben! Wer sich drückt (während er drückt), kriegt die Arbeitslosen- und Sozialhilfe gestrichen! Bei Verweigerung, Lebensmittelmarken "für das Allernötigste", was zwar Internetzugang einschließt, aber Klo-Papier? Nicht obwohl, sondern weil die Arbeit mit zunehmender Tendenz in Nichtarbeit verkehrbar ist, soll sie durch die Beschwörung jenes Todesurteils weiterhin als moralisch-ethisches Verdienst in der Form von Arbeitszwang zirkulieren, dem jedoch kein materielles Verdienst mehr entspricht.

Nur die Postbank hörte, was die Stunde schlug, denn sie wirbt mit dem Slogan: "Wer arbeitet, hat keine Zeit, Geld zu verdienen!" Wir fordern die Postbank auf, ihr "arbeitendes" Geld an Arbeitsloseninitiativen zu überweisen, da sie ihr lebender Reichtum sind!

Das Themenwochenende wird also auch die Frage des Existenzgeldes stellen, für die ich nach meinem Ermessen folgende Möglichkeiten sehe. Zum einen die extensive Verwendung von Lebensmittelmarken, denn da weiß man, was man hat, selbst wenn die Rindfleisch-Transporte nach Nordkorea wieder Richtung Deutschland zurückbeordert werden. Zum zweiten die Umverteilung der durch die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialamt eingesparten Verwaltungskosten, die zu weiteren Einsparungen führen, da die anfallenden Arbeitslosen sich, als ehrenamtliche Fachkräfte, ihre Sozialhilfe selber streichen können. Zum dritten die Lösung, die aus dem so entstandenen Megarechner resultiert, der "maßgeschneiderte" Bildungs- und Stellenangebote samt einer Durchreiseroute für die "Umsiedlung" ausspucken wird mit dem Effekt, dass der Staat - während diese Arbeitstouristen flexibel, mobil und wissend den Globus umrunden - endlich realisiert, dass es auch dann keine Arbeitsplätze gibt, wenn niemand mehr vorhanden ist! Dann wird das Existenzgeld eingeführt!

Das Themenwochenende wird also Realität und Surrealität, Tragödie und Komödie, Witz und Visualisierung bringen, außerdem eine "Volksküche", in der es brodelt! Und es gibt ein Fest von Arbeitslosen für Arbeitende, das ein endloser Feierabend sein wird!n

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