Sonntag, 6. Januar 2008

Rosa Luxemburg als Wegweiser

Männer und Frauen sind Halbwesen, weil keine(r) sich ohne den anderen fortpflanzen kann. Nun wäre es denkbar, dass sich wie bei vielen Arten im Tierreich die Rolle des Mannes darauf beschränkt, Weibchen zu befruchten und dann von dannen zu ziehen. Dieses Modell ist in keiner menschlichen Gesellschaft verwirklicht, denn immer sind Frauen mit Männern in Lebensgemeinschaft, mögen es die Väter der Kinder oder die direkten Verwandten wie Brüder und Onkel sein. Grund ist, dass der weibliche Phänotyp optimal ans Kinderbekommen und Säugen angepasst ist, an die Betreuung von Kindern bis ins 3. Lebensjahr. An die Notwendigkeiten der wilden Welt jedoch nicht, weder physisch noch psychisch. Keine allein weibliche Gesellschaft könnte gegen eine allein männliche Gesellschaft bestehen. Da Frauen mehr konsumieren als sie produzieren und im freien Wettbewerb gegen Männer nicht bestehen können, sind sie Staatsorientiert. Sie suchen den Schutz des Häuptlings. Aus diesem Grund wählen Frauen eher sozialistisch. Sie wollen versorgt sein, wie auch immer. Der freien Entfaltung, dem Wettbewerb und dem Risiko stehen Frauen mit Misstrauen gegenüber. Sie wissen warum. Der freie, wilde Mann ist ihnen suspekt. Sie wollen ihn von sich abhängig machen, ihn domestizieren. Die Methode dazu ist das Gift der Fürsorge. Es gibt viele Möglichkeiten, Macht auszuüben. Fürsorge ist eine davon. Ich unterminiere das Vertrauen des anderen in die eigene Kraft um ihm dann meine Fürsorge angedeihen zu lassen, ihn auf diesem Weg zu entmündigen.

Wer sich mit dem Feminismus auseinandersetzt, der muss sich auch mit linker Ideologie auseinandersetzen, denn beide sind eine unheilige Allianz eingegangen.

Im folgenden Text sind meine Erwiderungen in Rot gehalten.



DEN KAPITALISTISCH- PATRIARCHALEN EISBERG ABSCHMELZEN,
SUBSISTENZ-LEBENSWELTEN AUFBAUEN!

Rosa Luxemburg zeigt uns den Weg.

Wenn der Kapitalismus etwas nicht ist, dann patriarchal. Ganz im Gegenteil, der Kapitalismus ist extrem egalitär. Er beseitigt alle zwischenmenschlichen Bindungen bis auf die, welche auf vertraglicher Basis und auf individuellen Interessen beruhen. Die alte Zunft- und Ständegesellschaft war patriarchal, auch wenn die Rolle der Patriarchin auch eine Frau, z.B. die Witwe des Meisters, des Kaufherren, innehaben konnte. Der Kapitalismus hat die Stände- und Zunftgesellschaft zerstört.

Den Weg, den Rosa Luxemburg weist, sind andere schon gegangen, nämlich Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot und andere. Er hat sich als Irrweg erwiesen.


TEIL I

von Maria Mies

Eins möchte ich zu Anfang klar stellen: Meine Freundinnen Veronika Bennholdt-Thomsen, Claudia von Werlhof und ich "entdeckten" Rosa Luxemburg, besonders ihr Hauptwerk "Die Akkumulation des Kapitals", vor fast 30 Jahren, als wir als Feministinnen Antworten suchten auf bestimmte Fragen, die wir bei Marx und Engels und anderen männlichen linken Theoretikern nicht fanden. Diese Fragen waren vor allem:
1. [b]die Frauenfrage[/b], hier insbesondere die Frage, warum die Hausarbeit weder in der kapitalistischen noch in der marxistischen Theorie und Praxis einen Wert hat.
2. [b]die Kolonialfrage[/b], d.h. warum die Länder Asiens, Afrikas und Südamerikas auch nach ihrer politischen Entkolonisierung immer noch ökonomische Kolonien der imperialistischen "Metropolen" Europas und Nordamerikas und dann auch Japans bleiben. Und
3. [b]die Natur- oder Ökologiefrage.[/b] Wie konnten Frauen und fremde Völker befreit werden, wenn sie, wie die außermenschliche Natur nur als ausbeutbare Naturressource betrachtet werden?
Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Ausbeutung dieser "drei Kolonien" in den kapitalistischen wie in den sozialistischen Industrieländern? Welches Naturverhältnis liegt dem kapitalistischen wie dem sozialistischen Fortschrittsparadigma zugrunde?


Die Verknüpfung der Frauenfrage mit der Kolonial, der Natur- und Ökologiefrage ist völlig willkürlich. Wollen wir die Begriffe Ausbeutung und Unterdrückung aufgreifen, so waren Männer und Frauen bei Ausbeutern-/Unterdrückern und bei den Ausgebeuteten/Unterdrückten vertreten, wobei es in der Regel Männer sind, die einen höheren Preis als Frauen bei Ausbeutung/Unterdrückung zahlen.


Rosa Luxemburg hatte diese Fragen so nicht gestellt. Sie war keine Feministin. Trotz ihrer Freundschaft mit Clara Zetkin, der Begründerin und Führerin der proletarischen Frauenbewegung in Deutschland, hielt sie nichts von Claras Bemühungen um eine Mobilisierung der proletarischen Frauen. Nach Meinung der SPD sollte Clara Zetkin und die sozialistische Frauenbewegung sich um die Stärkung der Kleinfamilie, um Mutterschutz, Kinder und ähnliche "Frauenthemen" kümmern. In der Partei aber sollten sie keine Stimme haben. "Das war der Grund", schreibt Evans, "weshalb eine engagierte Revolutionärin wie Rosa Luxemburg sich nicht mit der Frauenbewegung befaßte". (Evans 1979, S. 319) Sie wollte "richtige" Politik machen, und die war damals, wie zum großen Teil heute, Männersache. Rosa L. verachtete Clara Zetkin ein bißchen dafür, daß sie sich "nur" um die Frauenfrage kümmerte. An Leo Jogiches schrieb sie einmal:

"Clara ist gut, wie immer, aber sie läßt sich irgendwie ablenken, sie bleibt in Frauenangelegenheiten stecken und befaßt sich nicht mit allgemeinen Fragen. Also bin ich ganz allein." (zitiert in Evans 1979, S. 320)

Auch für Rosa Luxemburg also waren Frauenfragen keine allgemeinen Fragen. Zumindest sah sie keinen Zusammenhang zwischen der Frauenfrage und dem, was sie allgemeine Fragen nannte, z.B. den Kolonialismus, die brutale Gewalt der kapitalistischen Mächte gegen die sog. Naturvölker, den Militarismus und die Kriegsvorbereitungen.


Es gibt viele Phänomene, für die der Kommunismus/Sozialismus keine Erklärung, keine Antwort hat.
  • Eine davon ist der Nationalismus.
  • Eine andere mag der Feminismus sein.
Beide Erscheinungen vertragen sich mit der reinen Lehre nicht, nachdem die entscheidenden Kräfte dem Klassengegensatz zwischen Proletariat und Kapitalbesitzern entspringen, eine Sicht, die auch mir einleuchtender ist. Der Feminismus verleugnet die Bedeutung der Klassengegensätze, tut so, als ob die Kassiererin im Supermarkt und die Frau von Bill Gates mehr als das Geschlecht gemeinsam hätten. Man könnte postulieren, der Feminismus ist (wie auch der Nationalismus) ein Trick der Kapitalisten, um das Proletariat (die Arbeitnehmer) zu spalten und zu schwächen. Zudem der Feminismus eine bourgoise Bewegung ist, die sich vor allem im Milieu der Akademiker und der Besitzenden abspielt.


Sie regte sich auch nicht über den "proletarischen Antifeminismus" (Thönnesen) auf und überhörte die sexistischen Chauvibemerkungen vieler ihrer männlichen Genossen, z.B. die Kautsky's, der meinte "die Genossin Luxemburg bringt alles durcheinander", weil es ihr an rationalem Vermögen mangele. (Neusüß 1985, S. 127 ff) Auch Bebel, der ein dickes theoretisches Werk über "Die Frau im Sozialismus" geschrieben hatte, schrieb 1910 über Clara Zetkin und Rosa Luxemburg an Kautsky:

"Es ist mit den Frauen eine merkwürdige Sache. Kommen ihre Liebhabereien oder Leidenschaften oder Eitelkeiten irgendwo in Frage und werden nicht berücksichtigt oder verletzt, dann ist auch die Klügste außer Rand und Band und wird feindselig bis zur Sinnlosigkeit. Liebe und Haß liegen nebeneinander, eine regulierende Vernunft gibt es nicht." (zit. in Evans 1979, S. 52)


Diese Beobachtung kann jeder machen, der mit Frauen zusammenarbeitet.

Das sind doch bekannte Töne, nicht wahr? Immer noch. Frauen sind halt emotional. Es mangelt ihnen an "regulierender Vernunft"; die ist den Männerköpfen vorbehalten. Rosa Luxemburg wollte aber richtige, allgemeine Politik machen und wollte sich nicht in die Frauenecke abschieben lassen. Darum legte sie sich, wie unsere vor 10 Jahre verstorbene Freundin Christel Neusüß schrieb, permanent mit den Männerköpfen der damaligen SPD und ihrem Glauben an die Wissenschaft und die rationale, logische, generalstabsmäßige Planung einer Revolution an. Sie steckte es dabei einfach weg, wenn die Genossen ihren "hysterischen Materialismus" verhöhnten. (Neusüß 1985, S. 284) Wie viele Frauen bis heute in linken Organisationen steckte sie ihre Betroffenheit als Frau, ihre Wut über ihre männlichen Genossen weg, weil sie an die Wichtigkeit der gemeinsamen, "allgemeinen Sache" glaubte. Die Frauenfrage war für sie etwas, was dieser allgemeinen Sache hinzugefügt werden mußte, ein Nischenproblem. Heute nennt der deutsche Bundeskanzler Schröder (SPD) die Quotenpolitik das „Frauengedöns)


Dass den Sozialisten die Freiheit der Frau am Herzen lag, zeigen viele Texte, darunter die von August Bebel.

Als Feministinnen konnten wir von Rosa Luxemburg zunächst also nicht viel lernen. Da wir aber, wie die neue Frauenbewegung in den Anfängen insgesamt, die theoretische und praktische Lösung der Frauenfrage nie nur additiv als Nischenfrage verstanden haben, die man anderen, allgemein-theoretischen Entwürfen hinzufügen kann, wollten wir der Sache auf den Grund gehen. Und dieser Grund, das wurde uns bald klar, ist in der Tatsache zu sehen, daß, wie Engels richtig erkannt hatte, Menschen zuerst einmal materiell-körperlich da sein müssen, ehe sie Geschichte machen und produzieren können. Dieses Da-Sein aber fällt nicht einfach vom Himmel.

Es sind Frauen, Mütter, die die Menschen hervorbringen und dieses Hervorbringen ist nicht einfach ein unbewußter Akt der Natur als solcher, sondern es ist Arbeit (Mies 1983/1992, S. 164 ff). Und Frauen verausgaben unendlich viel Arbeit, bis diese kleinen Menschen groß sind und dann schließlich vor einem Fabriktor oder einem Büro stehen können, um "ihre Arbeitskraft" zu verkaufen, die Arbeitskraft, die nicht sie, sondern ihre Mutter zu einem großen Teil produziert hat.


Hier zeigt sich der skotomisierte Blick der Autorin, so als seien alle Frauen Selbstbefruchter und Alleinerziehende. Denn damit ein Mensch entsteht bedarf es Mann und Frau. Und selbst wenn eine Frau Alleinerziehend ist, so greift sie doch auf Infrastruktur und ggf. soziale Leistungen zurück, was beides überwiegend von Männern bereitgestellt wird. Männer als Familienmitglied, Männer als Steuerzahler, Männer als Leistungserbringer.

Wie kommt es, so fragten wir uns, daß diese ganze Mütter- und Hausfrauenarbeit keinen Wert im Kapitalismus hat? Warum ist die Arbeit, die ein Auto produziert, wertvoll, aber die, die einen Menschen produziert, wertlos? Wieso wird die Arbeit bei der Herstellung von Waren Produktion genannt und die Arbeit einer Hausfrau und Mutter nur Reproduktion?

Die gute Mies hat ihren Marx nicht gelesen, sonst wüßte sie um den Unterschied zwischen Nutz- und Tauschwert. Die Hausfrauenarbeit hat aber sowohl einen Nutz- als auch einen Tauschwert. Es gibt jemanden, sei es der Ehemann, sei es der Staat über Sozialleistungen, welcher die Frau mit Kind bezahlt. Männer bezahlen für Frauen und Kinder einen sehr hohen Preis.

Als wir bei Marx eine Antwort auf solche Fragen suchten, merkten wir bald, daß er den selben Arbeitsbegriff benutzte wie die bürgerlichen Nationalökonomen, insbesondere Adam Smith. Produktion war die Herstellung von Waren, bezw. Tauschwerten zwecks Mehrwertgewinnung. Nur die Arbeit gilt als produktiv, die dieser Mehrwertgewinnung dient. Was die Frauen machen ist Reproduktion, insbesondere Reproduktion der Arbeitskraft. Dabei ist die Produktion von Waren/Mehrwert eindeutig der sog. Reproduktion übergeordnet, denn nur sie erzeugt "Wert", sprich Kapital. Also: das Kapital braucht zwar immer wieder neue, lebendige, gesunde, kräftige, satte, gewaschene, sexuell befriedigte Menschen, aus denen es Arbeitskraft aussaugen kann, aber die Arbeit, die bei der Schaffung solcher Menschen verausgabt wird, gilt als bloße Wiederholung, ja schlimmer, als quasi Naturprozeß, der sich von selbst vollzieht, wie die Zyklen von Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und angeblich kommt bei dieser Wiederholung, dieser Reproduktion nichts Neues heraus. Neues, stets neue Automodelle, Computergenerationen, geklonte Schafe, genmanipulierte Nahrungsmittel u. dergl. kommen nur bei der mehrwertorientierten Warenproduktion heraus.

Das Problem der Reproduktionsleistung der Frau ist, dass sie diese überhaupt nicht am Markt anbietet. Wo sie dies tut, z.B. bei Leihmutterschaft, hat diese Leistung sehr wohl einen Wert. Auch die sexuelle Leistung, so am Markt angeboten, hat einen Wert, was man an den Tarifen gewisser Etablissements ablesen kann. Auch Kinderpflege- und aufzucht hat einen Wert, wie man bei Kinderkrankenschwestern, Kindergärtnerinnen und Tagesmüttern erkennen kann.

Wir hatten aber gar nichts gegen das, was da Reproduktion genannt wurde, ich bestand vielmehr darauf, daß dies die eigentlichste Produktion ist, nämlich die Produktion des Lebens, oder der Subsistenz, die im Gegensatz zur Produktion von Waren zum Zwecke der Profitmaximierung steht.

Produktion trifft nicht, eher Anbau. Das Leben wächst aus sich selbst heraus, wie das Samenkorn, die Frau ist nur der Acker, das Brutgefäß.

Doch es genügte nicht, einfach festzustellen, daß in der kapitalistischen Wirtschaft Hausarbeit - speziell Mütterarbeit - keinen Wert hat. Es genügte nicht, diese Tatsache einfach der Bosheit der Männer zuzuschreiben oder sie, wie etliche linke Männer versuchten, sie als feudalen Rest zu interpretieren. Wieso braucht das Kapital diese unbezahlte, unbezahlbare, wertlose Arbeit?

Wie gesagt, diese Arbeit (der Reproduktion) wird bezahlt und hat selbst am Markt einen Preis (Leihmutterschaft). Das Problem ist, dass diese Leistung am Markt nicht gehandelt wird. Man darf nie vergessen, Präferenzen haben ihren Preis. Wenn ich nur bereit bin, mit einem ganz bestimmten Marktteilnehmer in kontrakt zu treten, dann ist sein Angebot mein Preis.

Hier half uns Rosa Luxemburgs "Akkumulation des Kapitals" weiter. Sie hatte dieses ökonomische Hauptwerk geschrieben, als sie sich politisch und theoretisch mit dem Imperialismus auseinandersetzte und gegen die Kriegstreiberei des Deutschen Kaiserreichs kämpfte. Es erschien zuerst 1913. In diesem Werk kritisierte sie Marx, der in Kapital Bd. II dargelegt hatte, daß die "erweiterte Reproduktion des Kapitals", also der unendliche Prozeß der Kapitalakkumulation, heute sagt man Wachstum, sich allein durch die Ausbeutung der Lohnarbeiterklasse durch das Kapital vollzieht. Der vollentwickelte Kapitalismus braucht nach Marx dazu keine zusätzliche, außerökonomische Gewalt, noch zusätzliche Gebiete, sprich Kolonien, die er ausbeuten kann. Da der Kapitalist den Arbeitern nie den ganzen Mehrwert, den diese geschaffen haben als Lohn zurückzahlt, sondern nur soviel, wie sie für die Reproduktion ihrer Arbeitskraft brauchen, bleibt nach Marx am Ende jedes Produktionszyklus immer mehr übrig als in ihn hineingesteckt wurde, ein Mehr, das wieder investiert werden kann.

Rosa Luxemburg weist jedoch nach, daß das Kapital zur Aufrechterhaltung seiner ständigen Akkumulationsbewegung stets zusätzliche Produktionsmittel und Rohstoffe, zusätzliche Arbeitskräfte und zusätzliche Märkte braucht, die es in seinen Kerngebieten nicht mehr vorfindet und nicht mehr herstellen kann. Rosa Luxemburg nennt dies "nichtkapitalistische Produktionsformen", die das Kapital auch in seiner höchstentwickelten Form ständig braucht, wenn es weiter wachsen bzw. akkumulieren will.

"Wir sehen jedoch, daß der Kapitalismus auch in seiner vollen Reife in jeder Beziehung auf die gleichzeitige Existenz nichtkapitalistischer Schichten und Gesellschaften angewiesen ist." (R. Luxemburg 1913 / 1975, S. 313)

Diese "nichtkapitalistischen" Gesellschaften und Schichten waren ursprünglich die Bauern in England und Europa, die Indianer in den USA, die Sklavinnen und Sklaven aus Afrika in der Karibik und den USA und schließlich alle Kolonien, die das westliche Kapital sich überall unterwarf.

Schon an dieser Stelle wird R. Luxemburg durch die Realität widerlegt. Der Beweis sind die Südstaaten der USA, eine Sklavenhaltergesellschaft, die durch den kapitalistischen Norden besiegt wurde, die Sklaven befreit wurden. Es lag im Interesse der kapitalistischen Nordstaaten, die Sklaven zu befreien. Anders als in feudalen Gesellschaften zieht der Kapitalist seinen Gewinn nicht aus (vom Herrscher) verliehenen Privilegien, sondern aus den (freiwilligen) Leistungen vertraglich gebundener Arbeitnehmer. Die Stärke des Kapitalismus ist nicht die Ausbeutung, sondern die Organisation. Der Kapitalist vermietet Arbeitsplätze.

Rosa Luxemburg stellt ebenfalls fest, daß die Ausbeutung und Ausplünderung dieser "nichtkapitalistischen" Schichten und Gesellschaften nicht, wie Marx die kapitalistische Ausbeutung definiert, durch das "zivile" Kapital-Lohn-Verhältnis erfolgt, das keine "außerökonomische Gewalt" mehr erforderlich macht, sondern durch direkte, brutalste Gewalt, durch Eroberung, Krieg, Piraterie, willkürliche Aneignung. Marx war der Meinung, daß diese direkte Gewalt zur Genesis, zu den Geburtswehen und zu der Vorgeschichte des eigentlichen Kapitalismus gehöre, die er die Periode der "ursprünglichen Akkumulation" genannt hat. Rosa Luxemburg weist jedoch nach, daß diese Gewalt ständig notwendig ist:

Der Nettogewinn der Kolonien war in der Regel negativ. Kapital ziehen Industriestaaten aus dem Warenaustausch untereinander. Das war so und ist auch heute so. Japan, Deutschland und die USA sind große Industrienationen ohne Kolonien. Kolonien mögen dem nationalen Ego schmeicheln, profitabel sind und waren sie nie, zumindest nicht auf Dauer. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Kolonien keine Absatzgebiete für die im Kapitalismus immer im Überschuss produzierten Waren und Dienstleistungen sind.

"Nur durch ständige Expansion auf neue Produktionsdomänen und neue Länder ist die Existenz und Entwicklung des Kapitalismus seit jeher möglich gewesen. Aber die Expansion führt in ihrem Weltdrang zum Zusammenstoß zwischen dem Kapital und den vorkapitalistischen Gesellschaftsformen. Daher Gewalt, Krieg, Revolution: kurz Katastrophe, das Lebenselement des Kapitalismus von Anfang bis zu Ende:" (R. Luxemburg 1913 / 1975 S. 518)

Das ist wahr, der Kapitalismus ist ein Feind vorkapitalistischer Gesellschaftsformen, er ist nicht weniger revolutionär als der Kommunismus, dessen Bruder er ist. Und dazu gehört auch Gewalt, man denke an die französische Revolution und die Revolutionskriege. Man denke an die gewaltsame Öffnung Japans für den Welthandel.

Das heißt, die Kapitalakkumulation bedarf zu ihrem Fortgang der "fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation" und ihrer Methoden, nämlich der Gewalt.

Eine weitere, zentrale Einsicht ergab sich aus dieser Analyse für Rosa L., nämlich, daß der Kapitalismus von Anfang bis zum Ende auf die Ausplünderung der ganzen Welt aus ist, oder, wie Wallerstein sagte, ein "Weltsystem" ist. (1974)


Da ist er wieder, der große Irrtum. Die Stärke von Kapitalismus ist nicht Ausbeutung und Ausplünderung, denn solche Methoden sind nicht nachhaltig. Der Kapitalist ist im Grunde ein Makler, der Produzenten und Kunden zusammenbringt indem er die Produktion organisiert, die notwendigen Produzenten (Arbeiter) beschafft, sie mit den notwendigen Werkzeugen versieht, die Rohstoffe beschafft und die Endprodukte zum Kunden bringt. Der Gewinn wird um so größer, je billiger Leistungserstellung und Bereitstellung für den Kunden ist und je mehr der Kunde bereit ist für das Produkt (=Dienstleistung) zu bezahlen. Da die kapitalistische Produktion immer Überschussproduktion ist, ist der Hunger nach Kunden unbegrenzt. Kurzfristig kann in einer Weltgegend produziert, in einer anderen konsumiert werden, aber nur kurzfristig. Denn ohne Produktion geht den Konsumenten langfristig das Geld aus, d.h. das System läuft langfristig nur rund, wenn Produzenten (Arbeiter) und Konsumenten identisch sind, d.h. wenn die Arbeite so viel verdienen, dass sie die Produkte auch kaufen können.

"Das Kapital kann ohne die Produktionsmittel und die Arbeitskräfte des gesamten Erdballs nicht auskommen, zur ungehinderten Entfaltung seiner Akkumulationsbewegung braucht es die Naturschätze und die Arbeitskräfte aller Erdstriche. . . . die tatsächliche Vorherrschaft nichtkapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse in den Ländern jener Produktionszweige ergibt für das Kapital die Bestrebung, jene Länder und Gesellschaften unter seine Botmäßigkeit zu bringen, wobei die primitiven Verhältnisse allerdings so rasche und gewaltsame Griffe der Akkumulation ermöglichen, wie sie unter rein kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen ganz undenkbar wären." (R. Luxemburg 1913 / 1975, S. 314)

Als ich das wieder las, dachte ich sofort an die Länder in Süd- und Ostasien, an die sogenannten Tigerstaaten wie Süd-Korea, Thailand, Malaysia, die bis vor einigen Jahren noch Wachstumsraten aufwiesen, die die kapitalistischen Kernländer nur vor Neid erblassen ließen. Ich dachte aber auch an die Gewalt, vor allem gegen junge Frauen in und außerhalb der Freien Produktionszonen (FPZs) in Bangladesch, Hongkong, Thailand, Indien, kurz in der ganzen Region, die ich im November 1997 konkret kennengelernt hatte. Gewalt und zwar vor allem Gewalt gegen Frauen in diesen Regionen - ich nenne sie weiter ökonomische Kolonien - ist das Geheimnis der Akkumulation und nicht nur die ordentliche, meist männliche, arbeitsrechtlich und gewerkschaftlich geschützte Lohnarbeit. Gewalt ist ein ökonomischer Faktor, das hat Rosa Luxemburg schon erkannt. Sie ist nicht einfach durch männlichen Sadismus begründet, sie ist nichts Natürliches, "eine Geburtswehe", wie Marx meinte, die den Kapitalismus durch Blut und Tränen zur Welt gebracht habe, so Christel Neusüß, die verstorbene Interpretin von Rosa Luxemburg. Mit Rosa Luxemburg kritisiert sie die Auffassung von Marx, der diese Geburtsmetapher mißbraucht, um die anfängliche Gewalt des Kapitalismus zu erklären.

Ja jetzt beißt sich die Katze in den Schwanz. Erstens sind überall auf der Welt Männer die Hauptgewaltopfer. Zweitens ist die Arbeit in den Freien Produktionszonen bestimmt keine ordentliche, arbeitsrechlich und gewerkschaftlich geschützte Lohnarbeit und drittens sind in diesen Produktionszonen auch zu einem ganz erklecklichen Teil Frauen beschäftigt, gerade in der Schuh- und Textilproduktion aber auch bei der Produktion von medizinischen Artikeln. Ein wichtiger Aspekt des chinesischen Wirtschaftswachstums ist die Energiegewinnung. Und wer sieht, unter welchen Bedingungen chinesische Männer hier beschäftigt sind, wieviel Tote der Kohlebergbau fordert, der erkennt, welches Geschlecht das Hauptopfer solcher Entwicklungen ist.



"Später, wenn er mal richtig da sei, brauche er die Gewalt nicht mehr, da funktioniere er produktiv - friedlich, wenn auch ein bißchen zerstörerisch gegen die Arbeitskraft, aber so etwas wie die Mordzüge der spanischen Konquistadoren habe er nicht mehr nötig. Die Genossin (Luxemburg M.M.) weigert sich an diesem Punkt strikt Marx zu glauben, sie sieht ja, es stimmt nicht, die Gewalt hat weltweit Hochkonjunktur, Riesenwaffenarsenale wurden im Laufe der Zeit aufgehäuft, ein Kolonialkrieg jagte den anderen, ganze afrikanische Stämme wurden mal schnell im Vorübergehen liquidiert . . . und da findet sie halt, so lange kann die Geburtsstunde nicht dauern, 400 Jahre, und immer noch blut- und schmutztriefend, und das, wo der Sozialismus schon vor der Tür stehen soll! Nein, da muß der alte Genosse systematisch Falsches gedacht haben." (Neusüß 1985, S. 298)

Schon wieder der nächste Irrtum. Die guten Konquistatorden waren einfache Banditen und keine Kapitalisten. Zu dieser Zeit war der Kapitalismus noch gar nicht erfunden.


Frauen, die letzte Kolonie, oder: die Hausfrauisierung der Arbeit

Wie schon gesagt, Rosa L. hat nicht an die Frauen gedacht. Doch ihre Analyse der Kapitalakkumulation hat uns, meinen Freundinnen und mir die Augen geöffnet für den Stellenwert der Hausarbeit im Kapitalismus. Diese Arbeit, die wie die der Bauern, der Kolonien oder anderer "nichtkapitalistischer Milieux", wie Rosa sie nennt, keinen Wert hat, als nicht-produktiv gilt, wie die Natur als "freies Gut" zur Verfügung steht, nicht durch Arbeitsrecht und Tarifverträge geschützt ist, rund um die Uhr zur Verfügung steht, ist für das Kapital die billigste und politisch effizienteste Form der Reproduktion der Arbeitskraft. Darüber hinaus, das habe ich in meinen Forschungen über Spitzenhäklerinnen in Indien festgestellt, als Heimarbeit auch die billigste und effizienteste Form der Produktionsarbeit. (s.u. Mies 1982)


Billig - Ja! Effizient - Nein! Für solche Heimarbeit eignen sich Aufgaben, die sich zu einem Lohn, von dem es sich (bescheidenst) leben lässt, nicht durchzuführen sind (weil kein Kunde bereit ist, dafür den entsprechenden Preis zu bezahlen). Die Frauen machen eine Deckungsbeitragsrechnung, d.h. da die Fixkosten durch den Mann schon gedeckt sind, können sie die Arbeitszeit zu einem niedrigeren Lohn anbieten. Aber mit solchen Methoden ist nicht das große Geld zu machen, weder für die Frauen noch für die Kapitalisten.

Wenn wir die Wirtschaft von der Perspektive der Frauen und der Frauenarbeit her betrachten, und wenn wir die Hausarbeit in diese Betrachtung einbeziehen, dann sehen wir, daß 50% der Weltbevölkerung 65% der produktiven Arbeit leisten und weniger als 10% des Weltlohn-einkommens dafür erhalten. (Salleh 1997 S. 77) Dies wird ermöglicht dadurch, daß Hausarbeit, einschließlich der Mütterarbeit zur Nicht-Arbeit erklärt und so unsichtbar gemacht wird. Dieses Unsichtbarmachen dessen, was lebensnotwendig und lebenserhaltend ist, der Frauen, der Natur, der unterdrückten Völker, Klassen und Stämme ist Teil einer patriarchalen Kolonisierungspolitik, die unter dem Kapitalismus ihren Höhepunkt gefunden hat. Sie wurde aber auch durch den realexistierenden Sozialismus nicht aufgehoben. Auch die sozialistische Akkumulation setzt, wie ich 1988 aufgezeigt habe, Kolonisierungen und Hausfrauisierung der Arbeit voraus.

Jetzt wird es ganz verrückt. Hausarbeit wird in der Regel extrem unproduktiv erbracht, selbst eine Manufaktur arbeitet effektiver, um wieviel mehr eine moderne Produktionsanlage. Ein Arbeiter wird letztlich nicht dafür bezahlt, wieviel Zeit er bei der Arbeit zubringt, auch wenn das manche glauben, sondern für die Leistung, das Ergebnis, das er erbringt. Wie die gute Frau darauf kommt, dass Frauen 65% der produktiven Leistung erbringen, das bleibt mir völlig schleierhaft. Niemand erklärt Hausarbeit zur Nichtarbeit, so etwas gibt es im Kapitalismus nicht. Die Frau hat in der Regel mit einem Kunden einen Vertrag gemacht, der diesem die ausschließliche Nutzung ihres Gebärapparates zusichert unter der Verpflichtung, dass dieser seine Arbeitskraft und seine Einkünfte mit ihr teilt. Und so kommt es, dass 70% der Kaufentscheidungen von Frauen getroffen werden, obwohl diese nach dem ausgewiesenen Einkommen über eine solche Kaufkraft gar nicht verfügen können. Und hier die Frauen auf die gleiche Ebene zu stellen wie die ausgebeutete Natur, unterdrückt Völker und Stämme, das ist schon peinlich. Feministischer Kommunismus ist wie feministische Theologie einfach nur absurd.

Die Neudefinition der geschlechtlichen Arbeitsteilung im Kapitalismus, insbesondere die Definition der Frau als Hausfrau ist nicht das Resultat einer eingeborenen männlichen Misogyny sondern eine strukturelle Notwendigkeit des Prozesses der Kapitalakkumulation. Feministinnen haben nachgewiesen, dass die Hausfrau, die die Arbeitskraft der männlichen Lohnarbeiter "reproduziert", zur Produktion des Mehrwerts beiträgt, vor allem deshalb, weil ihrer eigenen Arbeit überhaupt kein Wert im Sinne von Geld zugesprochen wird. Sie bleibt unbezahlt und wird daher auch nicht in die Berechnung des Bruttosozialprodukts aufgenommen. Sie wird nicht einmal als Arbeit definiert sondern gilt entweder als Ausdruck der weiblichen Anatomie oder als "Liebe". Sie ist zeitlich unbegrenzt, scheint in Überfülle verfügbar, wie Sonne und Luft, wie eine Naturressource oder, wie die Ökonomen sagen, als "freies Gut", das Mann und die Kapitalisten sich einfach aneignen können. Nach feministischer Analyse ist es aber vor allem diese nicht bezahlte Hausarbeit, zusammen mit der Subsistenzarbeit von Kleinbauern, vor allem in der Dritten Welt, deren Ausbeutung das Geheimnis der fortgesetzten Kapitalakkumulation darstellt (Dalla Costa 1973, Federici 1975, Bock & Duden1977, v. Werlhof 1992, Bennholdt-Thomsen 1983, Mies 1986, Waring 1989). Ohne diese inzwischen internationale "Hausfrauisierung" von Frauen wären die Produktionszuwächse und das Wirtschaftswachstum im Norden nicht aufrechtzuerhalten (Bennholdt-Thomsen, Mies, v. Werlhof 1983/1992)

Wenn dem so wäre, wie hier behauptet, dann müssten die Kapitalisten höchstes Interesse daran haben, dass möglichst viel Frauen hausfrauisiert werden. - Das Gegenteil ist der Fall. Mit allen Mitteln versuchen Politik und Unternehmen Frauen in den Erwerbsprozess zu ziehen, aus purem Eigeninteresse.

Ich habe den Begriff der Hausfrauisierung 1978/79 im Zusammenhang meiner Forschung über Spitzenhäklerinnen in Narsapur, in Südindien, geprägt. Schottische Missionare hatten im 19. Jh. die Spitzenindustrie in dieses Gebiet eingeführt und die armen Landfrauen gelehrt, in Heimarbeit Spitzen zu häkeln, die dann in Europa, USA und Australien verkauft wurden. Diese Frauen verdienten einen Bruchteil des Mindestlohnes, der ansonsten für Landarbeiterinnen gezahlt wurde, nämlich 0,58 Rupien. Die Ausbeutung dieser Frauen, die nach dem Verlagssystem und für Stücklohn arbeiteten, funktionierte, weil die Exporteure, die inzwischen Millionäre geworden waren, diese Frauen als Hausfrauen ansahen, die sowieso zu Hause säßen und ihre freie Zeit produktiv nützen könnten. Hausfrauisierung bedeutete also nicht nur kostenlose Reproduktion der Arbeitskraft durch private Hausarbeit, sondern auch die billigste Art der Produktionsarbeit in der Form von Heimarbeit oder ähnlichen Arbeitsverhältnissen, speziell für Frauen (Mies 1981/82).

Das Streben jedes Kapitalisten ist, die Leute dazu zu bringen, etwas herzustellen, mit dem man Handel treiben kann. Und für den Kapitalisten ist eine Frau die zu Hause Spitzen häkelt immer noch besser als eine, die ihren privaten Acker bestellt und von den Erdbeeren für ihre Familie Marmelade kocht. Aber solche Arbeitnehmer sind nicht die, mittels derer große Vermögen gemacht werden.

Diese Hausfrauisierung der Frauen wird aber auch nicht in Frage gestellt, wenn Frauen erwerbstätig sind, oder wenn sie die einzigen Ernährerinnen der Familien sind, was zunehmend der Fall ist. Frauenlöhne sind fast überall auf der Welt niedriger als Männerlöhne: In Deutschland betragen sie 60 - 70% der Männerlöhne. Begründet wird diese Lohndifferenz u.a. mit dem Argument, das Einkommen der Frauen sei nur eine Ergänzung zum Einkommen des männlichen Familienernährers. Frauen bekommen häufig keine sicheren Jobs, weil die Arbeitgeber erwarten, dass sie bei Schwangerschaften oder in Krisenzeiten zurück zu Haus und Herd gehen. Die Kategorie der "geringfügigen Beschäftigung" und der "Leichtlohngruppen" wurden vor allem für Hausfrauen erfunden. Zu Zeiten der Rezension sind sie die ersten, die entlassen werden. Ihre Aufstiegschancen sind gegenüber den Männern drastisch reduziert, selbst in akademischen Berufen. In den höheren Sparten des Managements oder den Universitäten gibt es kaum Frauen.

Frauen sind bereit zu niedrigeren Löhnen zu arbeiten, weil ihr Gehalt nur eine Ergänzung zum Lohn des Mannes ist. Daher können sie Arbeiten annehmen, die ein Mann nicht annehmen könnte. Sie können auch prekäre Jobs annehmen, weil ihr Gehalt nur eine Ergänzung ist. Würden sich keine Arbeitnehmer(innen) finden, die diese Jobs zu den genannten Konditionen ausführen, würde man die Tätigkeiten entfallen oder von weniger, dafür aber besser bezahlten Kräften ausführen lassen, die dann länger und härter arbeiten müssten, als Frauen bereit sind es zu tun. Das schöne am Kapitalismus ist, dass (außer im öffentlichen Dienst) jeder verdient, was er verdient.

Die Analyse der Hausfrauisierung wäre jedoch unvollständig, wenn wir sie nicht im Zusammenhang der Kolonisierung oder wie man heute sagt, der internationalen Arbeitsteilung betrachteten. Hausfrauisierung und Kolonisierung sind nicht nur zwei Prozesse, die historisch zeitgleich - nämlich im 18. und im 19.Jh. - abliefen. Sie sind auch inhaltlich miteinander verknüpft. Ohne die Eroberung von Kolonien, die Ausbeutung ihrer Rohstoffe und der dortigen menschlichen Arbeit wäre die europäische Unternehmerklasse nicht in der Lage gewesen, ihre industrielle Revolution zu beginnen; die Wissenschaftler hätten kaum Kapitalisten gefunden, die an ihren Erfindungen interessiert gewesen wären, die bürgerlicher Klasse der Gehaltsempfänger hätte kaum genug Geld gehabt, sich eine "nicht-arbeitende Hausfrau" und Dienstpersonal zu leisten und die Arbeiter hätten weiterhin ein miserables Proletarierleben geführt.

Die Kolonisierung kam erst nach der industriellen Revolution in Gang. Die frühen Kolonialmächte wie Portugal und Spanien profitierten nicht, von der industriellen Revolution, blieben arm. Die USA entwickelten sich ohne Kolonien prächtig. Der Kapitalismus zog seine Kraft aus bahnbrechenden Erfindungen und den Arbeitskräften im Lande. Die Kolonien blieben für den industriellen Fortschritt und die Kapitalakkumulation unbedeutend. Im Frühkapitalismus waren die Gehaltsempfänger in ihrer Masse keineswegs bürgerlich und an Hausfrauen war nicht zu denken und schon gar nicht an Dienstpersonal. Wie auf dem Bauernhof arbeiteten Mann, Frau und Kinder. Die Verbote von Kinderarbeit und Maßnahmen zum Schutz der Frauen folgten später, für Männer noch später.


Hausfrauisierung international

Inzwischen ist aber deutlich geworden, dass die Erfindung der "Hausfrau" nicht nur die beste Methode war/ist, um die Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft so gering wie möglich zu halten, sondern dass sie auch die optimale Arbeitskraft in der Warenproduktion ist. Das ist zunächst einmal in der Dritten Welt deutlich geworden, wohin seit Mitte der siebziger Jahre zentrale westliche Produktionsbereiche verlegt wurden, wie Textilien, Elektronik, Spielwaren usw. Etwa 80% der Arbeitskräfte in diesen Weltmarktfabriken sind junge, unverheiratete Frauen. Die Löhne dieser Frauen betragen ein Zehntel der entsprechenden Löhne in den Industrieländern. Die Bezeichnung dieser Länder als Billiglohnländer hängt wesentlich von der Rekrutierung junger, weiblicher Arbeitskräfte ab, die meist nicht gewerkschaftlich organisiert sind, häufig entlassen werden, wenn sie heiraten oder Kinder haben, die unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen arbeiten. Die klassische Form der hausfrauisierten Produktionsarbeit im Weltmarkt ist jedoch die Heimarbeit, bei der Frauen ihre Haus- und Familienarbeit mit der Herstellung von Produkten für den Weltmarkt verbinden können, keinerlei Arbeitsschutz unterliegen, total vereinzelt arbeiten, die geringsten Löhne und oft die längsten Arbeitszeiten haben. Auch in anderen Produktionsbereichen: in der Landwirtschaft, im Handel, in den Dienstleistungen werden weibliche Arbeitskräfte nach dem Modell der Hausfrau engagiert (v. Werlhof 1985, Mies 1988).


Die Hausfrau als Lebensform für die Masse ist eine späte Erfindung. Die Bauersfrau war nicht das, was wir unter einer Hausfrau verstehen, sie arbeitete, ihren Kräften entsprechend, wie der Mann. Das gleiche galt für die Frau des Häuslers und Tagelöhners. Das gleiche bei den Kleingewerbetreibenden. In Großbürgerhaushalten konnte man Hausfrauen antreffen. Das waren aber dann Haushaltsvorstände, die Gesinde zu überwachen und anzuleiten hatten. Was wir als Hausfrau kennen, ist ein Phänomen das nach dem 1. Weltkrieg in der Masse aber eigentlich nach dem 2. Weltkrieg auftrat. In der Hochzeit der Massenproduktion (Fordismus) verdienten erstmals auch Arbeiter so viel, dass der Verdienst der Frau zur Haltung des Lebensstandards nicht mehr oder nur eingeschränkt notwendig war, worauf sich viele Frauen aus dem Erwerbsleben zurückzogen, teilweise auch gefördert durch die Politit (Nationalsozialismus).

Globalisierung der Wirtschaft und Hausfrauisierung

Die Relevanz dieser Analyse heute.

Was wir vor etlichen Jahrzehnten über den Zusammenhang zwischen der Ausbeutung der hausfrauisierten weiblichen Arbeitskraft und der Kapitalakkumulation geschrieben haben, zeigt gerade heute, im Zeitalter der sog Globalisierung der Wirtschaft, seine eigentliche Relevanz. Man könnte sogar sagen, dass in der globalisierten Wirtschaft diese Form der Ausbeutung das Modell geworden ist für die Ausbeutung von Arbeit überhaupt.


Das Normalarbeitsverhältnis ist heute nicht mehr das zwischen einem (männlichen) "freien Lohnarbeiter" und dem Kapital sondern das zwischen "flexibilisierten", "untypischen", "drittweltisierten", "ungeschützten","prekären", kurz: hausfrauisierten ArbeiterInnen und dem Kapital. Kein Wunder, dass die Unternehmerseite offen das Lob dieser nun "öffentlich freigesetzten, global(isierten) angewandten Hausfrau" (v. Werlhof 1999:81) singt. Claudia v. Werlhof zitiert Christian Lutz, einen Herausgeber der Schweizer Managerzeitschrift "Impuls", der das Ende der freien Lohnarbeit begrüßt und in seinem Beitrag: "Die Zukunft der Arbeit ist weiblich" weibliche (hausfrauliche) Qualifikationen für die Arbeitnehmer der Zukunft fordert. Der "Megatrend", der heute "alle Wertschöpfungsnetzwerke durchziehe" erfordere "Eigeninitiative, Ideen, Verantwortungsbereitschaft und soziale Kompetenz", wie sie eher bei Frauen als bei Männern zu finden seien. "Der Arbeitnehmernachfolger ist weiblichen Geschlechts" (Ch. Lutz 1997, zitiert bei v. Werlhof 1999 S. 81).

Das besondere an der Hausfrauenarbeit ist, dass sie eben nicht prekär, weil abgesichert durch das Einkommen des Mannes ist. Wenn die Familie ein Standbein hat, kann das andere das Spielbein sein. Selbstverständlich giert die Industrie nach billigen, extrem flexiblen Arbeitskräften, nur setzt sie voraus, dass diese Arbeitskräfte in der Zeit ihrer Anstellung so engagiert sind, wie die Vollzeitdauerkräfte seligen angedenkens. Und das geht eben nicht. Wenn auch die Arbeit des Mannes prekär wird, dann müssen Mann und Frau nach festen Plätzen suchen, die "Flexibilität" der Frau, die nun eben nicht mehr Hausfrau sein kann, verschwindet.


Damit sagt die Kapitalseite nun offen, was Claudia von Werlhof schon 1983 als die Zukunft der Arbeitskraft beschrieb, nämlich die Hausfrauisierung auch der männlichen Arbeitskraft. In ihrem Aufsatz: "Der Proletarier ist tot, es lebe die Hausfrau" wies sie nach, dass nun nicht länger der männliche, tariflich abgesicherte, gewerkschaftlich organisierte Arbeiter die optimale Arbeitskraft fürs Kapital darstellt, sondern die Hausfrau. Ihre Arbeitskraft ist im Gegensatz zu der des Proletariers, flexibel, ist rund um die Uhr verfügbar, ist unbezahlt, ist zuverlässig und fällt in Krisenzeiten dem Kapital nicht zur Last. Auch Männer würden in Zukunft auf diese Weise "hausfrauisiert" werden (v. Werlhof 1983, Neuauflage 1992).

Wie gesagt, das wird aus obengenannten Gründen so nicht funktionieren.

1983/84 wurde diese Strategie noch unter dem Begriff der "Flexibilisierung der Arbeit" diskutiert. Sie wurde als notwendige Folge der Arbeitsrationalisierung durch Mikroelektronik und Computer angepriesen. Der ehemalige Wirtschaftsminister Rexrodt schlug aber schon damals offen vor, innerhalb der deutschen Wirtschaft einen "Billiglohnsektor" zu etablieren.

Der Ruf der Industrie nach Flexibilität der Arbeitnehmer ist groß, bis diese plötzlich dem Unternehmen davonlaufen. Dann ist das Geschrei groß. Feste Einbindung der Arbeitnehmer in Dauerarbeitsverhältnisse ist eine Erfindung der Kapitalisten. Die Proletarier der Vergangenheit waren nämlich sehr flexibel, so dass von 100 Eingestellten am Jahresende noch 20 übrigblieben.

Nach dem Vorherigen braucht es uns nicht zu wundern, dass Rexrodt diesen neu zu errichtenden "Billiglohnsektor" vor allem den Frauen zugedacht hat. Sie wären durch ihre Hausfrauentätigkeit ja großartig qualifiziert für diesen Sektor. Was Herr Rexrodt jedoch nicht sagte, wird heute durch Abkommen wie das MAI und die WTO klar: die ganze Welt, auch die reichen Industrieländer, sollen zu einer einzigen Freihandelszone werden, in der die TNKs Arbeits- und Umweltverhältnisse schaffen wollen, wie wir sie aus in Asien und Mexiko kennen (s.u.) (Mies, v. Werlhof 1998).

Wie gesagt, Frauen sind bereit in einem Billiglohnsektor tätig zu werden, solange der Mann mit seinem Gehalt die Fixkosten der Familie trägt, aber auch genau so lange.

Obwohl der Kapitalismus bereits seit seinen kolonialen Anfängen als Weltsystem angelegt ist, wie Marx, Rosa Luxemburg und Wallerstein nachweisen, bezieht sich die heutige Rede von der Globalisierung auf Prozesse, die seit Ende der Achtziger Jahre durch Institutionen wie das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI), die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds (IMF) und das US-Wirtschaftsministerium vorangetrieben werden. Die GATT-Verhandlungen fanden 1995 ihren Abschluss in der Gründung der World Trade Organisation (WTO).

Der Kapitalismus hat keine kolonialen, sondern industrielle Anfänge.

Was oben über die Hausfrauisierung international gesagt wurde, ist besonders relevant für die Analyse des Erfolgs der jetzigen Phase der Globalisierung, nämlich die Einrichtung von Weltmarktfabriken, Freien Produktionszonen (FPZs) in Asien und "Macquilas" in Mexiko. Die Tatsache, dass die Löhne in diesen FPZs und Weltmarktfabriken so gering waren/sind, ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass etwa 80% der Arbeitskräfte in diesen Industrien, junge, meist unverheiratete Frauen sind, sondern dass diese als "Hausfrauen" definiert sind. Sie werden eingestellt wegen ihrer Hausfrauenqualifikationen: ihrer "geschickten Finger", ihrer Fügsamkeit, Sorgfalt, ihrer Nähkenntnisse und der Tatsache, dass sie nach der Heirat entlassen werden können. Damit vermeiden die Unternehmer alle Ansprüche auf Mutterschaftsurlaub und Arbeitsschutz. Außerdem waren Gewerkschaften in diesen Fabriken verboten. Die Gewinne konnten zu 100% exportiert werden. Da die meisten Arbeiterinnen in diesen Fabriken aus armen ländlichen Familien stammen, ihre Rechte nicht kannten, keine Erfahrung mit Arbeitskämpfen hatten, akzeptierten sie oft inhumane Arbeits- und Wohnbedingungen, Arbeitszeiten bis zu 14 Stunden, ein unmenschliches Arbeitstempo, sexuelle Belästigung, Sicherheits- und Gesundheitsrisiken, die in den alten Industrieländern verboten sind. In Südkorea z.B. wurden Arbeiterinnen eingesperrt, bis sie ein bestimmtes Produktionsquantum erreicht hatten.

Niemand will solche Methoden schön reden. Aber sie treffen Männer und Frauen in gleichem Maße. (vergl. Beispiel China)


Das Eisberg-Modell der Kapitalistisch-Patriarchalen Wirtschaft

Eine solche Wirtschaft lässt sich am besten im Bilde eines EISBERGS darstellen. Nur der Teil des Eisbergs, der aus dem Wasser herausragt, nämlich Kapital und Lohnarbeit gilt bei uns üblicherweise als WIRTSCHAFT. Alle Nicht-Lohnarbeit –Hausarbeit, aber auch die Subsistenzarbeit von Bauern und anderen Selbstversorgern werden nicht zur Wirtschaft gezählt. Zu der „unsichtbaren Ökonomie" zählen aber auch die Arbeit im sog.informellen Sektor, aber auch alle Kolonien und auch die Natur und ihre Produktion. Auf diese unsichtbare Ökonomie werden alle Kosten abgeschoben oder „externaliert", die das Kapital nicht zahlen will.


Das Kapital zahlt niemals. Zahlen tut immer nur ein Kunde. Und Kunde sind in der westlichen Welt wir alle, die z.B. das günstige Hemd für 7,50€ bei NKD kaufen, das wir zu einem höheren Preis nicht gekauft hätten. Was nicht gekauft werden kann (Lebensmittel, die der Bauer für sich produziert) erscheint nicht auf dem Markt, hat also auch keinen Marktwert.

Im Eisberg-Modell (siehe Grafik am Ende des Artikels) jeder herrschenden Wirtschaft gilt "Wirtschaft" nur als der sichtbare Teil der Ökonomie, nämlich die auf Warenproduktion und -handel beschränkte Wachstumswirtschaft, die das Ziel hat, immer mehr Geld und Kapital anzuhäufen. Die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ist ein Nebeneffekt dieser Waren- und Geldakkumulation. Nur dieser "Über-Wasser"-Teil der Wirtschaft erscheint in der nationalen Gesamtrechnung, die im Bruttosozialprodukt (BSP) oder Brutto Inlandprodukt (Gesamtmenge der jährlich produzierten Waren und Dienstleistungen - in Geld ausgedrückt) dargestellt wird (Waring 1989).

Diese Aussagen sind richtig, weswegen das Bruttoinlandsprodukt auch nichts über unseren Lebensstandard und unseren Wohlstand aussagt.

Das ist jedoch keineswegs die gesamte kapitalistische Wirtschaft, sonder nur der sichtbare Teil. Doch diese sichtbare Ökonomie wird getragen und subventioniert von der unsichtbaren Ökonomie. Generell gilt, dass alle Tätigkeiten in der "unsichtbaren Ökonomie" "naturalisiert" worden sind, weil sie (angeblich) nicht dem Zweck der Kapitalverwertung dienen, sondern das Ziel haben, das eigene Leben, die eigene Subsistenz herzustellen und zu erhalten. Darum wird, nach Claudia von Werlhof, alles zur Natur "erklärt", was fürs Kapital gratis sein soll. Während den Menschen in der „sichtbaren" wie der"unsichtbaren Ökonomie" weisgemacht wird, das eigentliche Leben sei "oben" oder in der "sichtbaren Ökonomie" - der Geldökonomie - hängt aber letztere von der ersteren ab. Der wichtigste Mythos des Kapitalismus besagt, dass alle irgendwann, im Zuge der „nachholenden Entwicklung" zu dieser „sichtbaren Ökonomie"gehören würden, zu den Lohn-Arbeitern, geschützt von Arbeitsgesetzen, Arbeitsverträgen, gut bezahlten und sicheren Arbeitsplätzen usw. In der Eisbergökonomie es aber keine "nachholende Entwicklung" für alle - höchstens für einige - sondern es ist umgekehrt, die unteren Schichten subventionieren die sichtbare Ökonomie.

Nun, dieser Absatz ist wieder der reine Unsinn. Niemand erklärt irgendwas zu Natur. Wenn ein Mann in Eigenarbeit das Haus ausbaut oder renoviert, dann erscheint diese Arbeitsleistung in keiner Statistik, obwohl diese Tätigkeit durchaus die Lebensqualität und den Lebensstandard seiner Familie gehoben hat. Die Zahl der Baumärkte und ihre Größe zeigt, wieviel kostenlose Familienarbeit von Männern erbracht wird. Aber das ist keine Subvention der "sichtbaren" Ökonomie. Es ist und bleibt Konsum.

Darum nennen wir sie auch Kolonien. Ohne diese koloniale Basis gäbe es den Kapitalismus nicht.

Wie oben bereits bewiesen: diese Aussage ist barer Unsinn.


Die Globalisierung bringt es an den Tag

Was unter dem Einfluss der Globalisierung jedoch wirklich geschieht, ist nicht das, was alle Zukurzgekommenen bisher erwartet haben, nämlich, dass sie per "nachholender Entwicklung" aufsteigen würden, sondern sie erleben das Gegenteil: Mehr und mehr Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen in der sichtbaren Ökonomie verlieren ihren Job und sinken ab in die unsichtbare Ökonomie. Das heisst aus festen Arbeitsplätzen wird Gelegenheitsarbeit, aus Fabrikarbeit Heimarbeit, aus gewerkschaftlich und rechtlich geschützter Arbeit werden ungeschützte, hausfrauisierte, heute nennt man das „prekäre" Arbeitsverhältnisse.

Auch hier wieder Unsinn pur. Solange die Menschen ein Einkommen erzielen, bleiben sie in der sichtbaren Ökonomie. Ansonsten fallen sie in Deutschland in Hartz IV und werden zu Empfängern von Transferleistungen. Und wie gesagt, das besondere der Hausfrau ist und war, dass ihre Situation nicht als prekär bezeichnet werden kann, da ihr Lebensunterhalt durch den Mann gesichert wird. Denn ist sie gezwungen, von ihren Einkünften zu leben, kann man sie schwerlich als Hausfrau bezeichnen.
Was bei der Globalisierung tatsächlich passiert ist, dass teuere Arbeitskräfte in westlichen Ländern ihren Job verlieren und dafür billige Arbeitskräfte in unterentwickelten Ländern eine Job bekommen. Es ist echte Entwicklungshilfe, nämlich Hilfe zur Selbsthilfe. Dass diese Menschen bereit sind, und es als Fortschritt sehen, unter Arbeitsbedingungen zu arbeiten, die uns erschreckend erscheinen ist ihr Glück und unser Pech.


Dabei ist es genau umgekehrt, wie uns die herrschende Wirtschaftstheorie weismacht, nämlich, dass es einen "trickle-down"-Effekt von oben nach unten gäbe, ein Durchsickern des Reichtums von der Spitze der Pyramide zu den Zukurzgekommenen an ihrem Fuß. Die Realität ist genau umgekehrt. Immer mehr Reichtum wird in der Spitze des "Eisbergs" angehäuft, der den verschiedenen Schichten der "Unter-Wasser"-Ökonomie abgepresst wurde und dort dann eben nicht mehr vorhanden ist.

Global stimmt die Aussage nicht. Es kommt sehr viel Geld bei den Zukurzgekommenen an, nur da das Gefälle zwischen Produktion und Verkauf so hoch ist, streichen die Makler (Kapitalisten) einen entsprechend hohen Reibach ein.

Inzwischen wurde schon im UNDP-Bericht von 1996 zugegeben, dass globales Wachstum dazu geführt hat, dass der Anteil der Wohlhabenden dieser Welt, die 20% der Weltbevölkerung ausmachen, innerhalb von 30 Jahren von 70% auf 85% des Reichtums gestiegen ist, während der Anteil der 20% der Ärmsten im selben Zeitraum von 2,3% auf 1,4% gesunken ist. Auch der United Nations Human Development Report von 1998 berichtet, dass das Realeinkommen in 100 Ländern heute niedriger ist als vor 10 Jahren. Die wachsende Kluft zwischen reichen und armen Ländern, Klassen und Geschlechtern wird zugegeben. Man zweifelt sogar daran, dass Wirtschaftswachstum diese Kluft verkleinern würde, aber man gibt immer noch nicht zu, dass diese Kluft eine notwendige, strukturelle Folge von permanentem Wachstum in einer begrenzten Welt ist. Im globalen kapitalistischen Patriarchat kann es nicht Gleichheit für alle geben. Dies gibt selbst die Weltbank indirekt zu, wenn sie sagt, dass Ungleichheit der Löhne, des Einkommens, des Wohlstandes eine notwendige Begleiterscheinung des "Übergangs" von der sozialistischen zur kapitalistischen Wirtschaft ist ("A Global Poverty Gap", in: The Economist, 20. July 1996, S. 36).

Wenn manche Länder rasant aufsteigen und andere Länder z.B. in Afrika zurückbleiben, dann öffnet sich natürlich die Schere zwischen Arm und Reich. Arme Geschlechter, das ist natürlich wieder ein Witz. Wenn Männer reicher werden, werden automatisch auch Frauen reicher, nämlich die Frauen der reichen Männer. Das ist ja die Krux des Feminismus, dass es für Frauen so leicht ist, den Lebensunterhalt zu sichern und sogar reich zu werden, wenn nur genügend finanziell und auch sonst potente Männer verfügbar sind. So fehlt bei vielen der Drive, um sich selber ins Geschirr zu spannen.



Globalisierung ohne "menschliches Gesicht"

Während die Menschen bis zum Fall der Berliner Mauer noch die Illusion haben konnten, dass die exportorientierte Industrialisierung in der Dritten Welt nicht nur den KonsumentInnen in den reichen Ländern, sondern auch den armen Ländern selbst zugute kommen würde - also, dass alle irgendwann ein wirtschaftliches Niveau wie etwa das Schwedens erreichen würden - ist diese Illusion mit der neoliberalen Umstrukturierung der Weltwirtschaft, wie sie sich seit 1990 vollzieht, nicht mehr aufrechtzuerhalten.

In jetzigen Phase der Globalisierung werden die Prozesse, die schon Mitte der siebziger Jahre begannen, nicht nur fortgesetzt und erweitert, sondern auch qualitativ verschärft. So wird die Strategie, Produktionsstätten in Billiglohnländer zu verlagern, durch GATT und WTO praktisch auf fast alle Länder der Welt ausgedehnt. Außerdem werden nun nicht mehr nur bestimmte arbeitsintensive, auf hohen Löhnen basierende Industrien ausgelagert, sondern auch umweltverschmutzende Schwerindustrien wie Stahl-, Schiffs- und Autobau, Kohleförderung usw. Hinzukommt, ermöglicht durch die neuen Kommunikationstechnologien, die Verlagerung ganzer Dienstleistungsbereiche in Billiglohnländer. So lassen eine Reihe von Fluggesellschaften ihre Abrechnungen bereits in Indien durchführen. Und indische Software-Firmen konkurrieren erfolgreich mit solchen in den USA und Europa.


Die Folgen dieser neuen globalen Umstrukturierung für die alten Industrieländer sind nicht mehr nur Verlust von Arbeitsplätzen, auf denen vormals Frauen gearbeitet haben, sondern nun sind auch die männlichen Lohnarbeiter, und zwar die Stammarbeiter, von Firmenverlagerungen und Firmenzusammenschlüssen betroffen.

Ja, so ist das und die Folge ist, dass die Hausfrau ein Auslaufmodell ist, weil der festbesoldete Partner fehlt.

Es ist erstaunlich, dass weder die Politiker noch die Gewerkschaften die Konsequenzen der Globalisierungspolitik, die durch die Weltbank, MAI, GATT/WTO und die Transnationalen Konzerne (TNKs) betrieben wird, für die Arbeiter, die Verbraucher und die Umwelt erkannt haben, oder auch heute erkennen. Alle Industrieländer halten die Globalisierung der Wirtschaft und die Öffnung aller Märkte für eine gute Sache, zumindest für unumkehrbar. Alle Regierungen dieser Länder haben GATT und der WTO zugestimmt - Proteste gab es nur in einigen armen Ländern und von Bauern z.B. in Indien. Alle scheinen zu glauben, dass der sogenannte Freihandel auch mehr Handlungsfreiheit für den einzelnen bedeutet. Und doch hätte jedes Kind wissen können, wie der kapitalistische Freihandel funktioniert. Dass das Kapital stets dahin geht, wo es die geringsten Lohnkosten zu zahlen hat, wo es die Umwelt ungestraft ausbeuten kann, wo es möglichst keine Gewerkschaften

gibt - wie z.B. in China - durch die bestimmte Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden müssen. Das Dogma der komparativen Kostenvorteile, das die herrschende neoliberale Wirtschaftspolitik bestimmt, wird vor allem durch die Lohnkostenvorteile in den Billiglohnländern realisiert. Nach Pam Woodall waren die Stundenlöhne für Produktionsarbeiter 1994 im Durchschnitt wie folgt:

in Deutschland US$ 25,--

in USA US$ 16,--

in Polen US$ 1,40

in Mexiko US$ 2,40

In Indien, China,

Indonesien US$ 0,50

(Wodall 1994)

So beschreibt Pam Woodall dann auch die komparativen Kostenvorteile der Dritten Welt im Rahmen des globalen Freihandels folgendermaßen:

"Die Vorteile des internationalen Handels bestehen darin, dass die Länder ihre komparativen Kostenvorteile ausbeuten können, nicht darin, dass sie versuchen, "gleich" zu sein. Und ein großer Teil der komparativen Kostenvorteile der Dritten Welt besteht in der einen oder anderen Weise in der Tatsache, dass sie arm sind, besonders in der billigen Arbeitskraft und der größeren Toleranz in Bezug auf Umweltverschmutzung" (Woodall 1994, S.42).

So weit, so gut.

Was aber auch Pam Woodall vom Economist nicht als zentralen Teil der komparativen Kostenvorteile erwähnt, ist die Tatsache, dass die billigsten der billigen Arbeitskräfte weltweit Frauen sind, und zwar Frauen, die als Hausfrauen "konstruiert" worden sind. Die globale Umstrukturierung hat nun alle Länder, alle Sektoren der Wirtschaft, einschließlich der Landwirtschaft und alle Arbeitsverhältnisse erfasst. Unter anderen eben auch die Frauen, die in den exportorientierten Textil-, Elektronik-, Spielzeug-, Schuhindustrien arbeiteten. Hatten diese Arbeiterinnen bis vor kurzem noch gehofft, dass sie durch heroische Arbeitskämpfe halbwegs menschliche Arbeitsverhältnisse durchsetzen könnten, so wie die von der International Labour Organisation (ILO) geforderten Kernarbeitsstandards, so müssen sie jetzt feststellen, dass die TNKs, für die sie bisher gearbeitet haben, entweder einfach ihr Land verlassen und in noch billigere Länder umziehen, z.B. von Südkorea nach Bangladesch oder nach China; oder dass sie, in Hongkong etwa, billigere Arbeiterinnen aus China anheuern. Die Hauptstrategie zur Verbilligung der weiblichen Arbeitskraft ist jedoch eindeutig eine weitere Hausfrauisierung und Globalisierung.

Der Begriff der Hausfrauisierung ist auch hier nicht angebracht. Und was die Verlagerung betrifft, so beschränkt sich diese nicht auf Frauenarbeitsplätze.

Das Committee for Asian Women (CAW) hat 1995 eine datenreiche Analyse der Folgen der globalen Umstrukturierung für die Arbeiterinnen in asiatischen Industriezentren, vor allem in den Export Processing Zones (EZPs) in den Philippinen, Südkorea, Hongkong, Singapur und Bangladesh herausgegeben. Die Autorinnen beschreiben nicht nur die Zunahme sexistischer Diskriminierung - Männer bekommen feste Jobs, Frauen nur noch Teilzeit- und ungesicherte Arbeit - sondern vor allem auch, dass verheiratete Frauen vom formalen Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden,

"denn Manager wollen die Kosten für Mutterschaftsurlaub und andere Vergünstigungen vermeiden. Sie argumentieren meist, dass verheiratete Frauen zu viele Familienpflichten hätten und sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren könnten" (CAW) 1995, S. 31).


Arbeit ist für den, der sie kauft, eine Ware wie jede Ware und wie jeder Käufer vergleicht der Arbeiteinkäufer Kosten und Nutzen. Wenn Frauen Vergünstigungen erhalten, die das Unternehmen zahlen soll, dann wird Frauenarbeit teurer im Vergleich zu Männerarbeit und die Nachfrage sinkt. Wenn sowieso schon Arbeitskräfteüberschuss herrscht, dann ist es nur vernünftig, verheiratete Frauen vom Arbeitsmarkt auszuschließen, denn ihre Versorgung ist durch den Ehemann gesichert. Ihr gesellschaftlicher Status leidet nicht durch diesen Ausschluss und da in diesen Ländern noch ausreichend Kinder geboren werden, ist die Frau mit diesen Kindern auch entsprechend ausgelastet. Der gesellschaftliche Status arbeitsloser Männer ist in der Regel niedrig. Selten findet sich eine Frau, die wegen der Schönheit der Männer, diesen den Lebensunterhalt bezahlt, also ist die Situation dieser Männer prekär und das kann einem Staat das Genick brechen.


Das heißt aber keineswegs, dass diese verheirateten Frauen nun von einem Ehemann "ernährt" werden und nicht mehr weiter fürs Kapital auch direkt arbeiten müssen. Der Druck, der durch die Verlagerung von EZPs in noch billigere Länder auf die Arbeiterinnen ausgeübt wird, hat zu einer weiteren "Casualization" von Frauenarbeit geführt, d.h. aus festen werden unsichere, aus geschützten ungeschützte, aus Ganztagsarbeit- werden Teilzeitjobs, aus Vollzeitarberinnen werden Gelegenheitsarbeiterinnen, Fabrikarbeit wird vor allem ausgelagert in Heimarbeit. Diese verrichten dann die nach Hause geschickten verheirateten Frauen, neben ihrer Familienarbeit und der Betreuung ihrer Kinder. Oder sie sind gezwungen, stundenweise irgendwelche Dienstleistungen zu erbringen. 70% der aus dem produzierenden Bereich entlassenen Frauen wurden Gelegenheitsarbeiterinnen im Dienstleistungssektor. Die Unternehmer betreiben eine bewusst sexistische oder patriarchale Strategie der Umstrukturierung der Arbeitsverhältnisse:

"Arbeitsprozesse werden so aufgeteilt, dass sie stundenweise bezahlt werden können, denn die Arbeit wird als Frauenarbeit gesehen. Frauen, die verheiratet sind, können geringere Löhne bekommen, denn man denkt, dass sie von einem Ehemann abhängig sind. Die rapide Vergelegentlichung (casualization) von Arbeit ist geschlechtsbedingt. (Chan Kit Wa, Fong Yenk Hang, Fung Kwok Kin, Hung Sent Lin, Ng Chun Hung, Pun Ngai, Wong Man Wan, 1995, S. 54).

Und wo arbeiten diese Gelegenheitsarbeiterinnen? Bei McDonalds, Spaghetti House, Maxim, in Supermärkten, als Putzfrau, als Hausangestellte, als Prostituierte und in Büros.

Frauen sind bereit für niedrigere Löhne zu arbeiten, weil der Ehemann den Lebensunterhalt der Familie erwirtschaftet. Aus diesen Gründen können Frauen auch flexibel am Arbeitsmarkt agieren. Auch Löhne bilden sich durch Angebot und Nachfrage, zumindest wenn keine Gewerkschaften herumspuken. Frauen einzustellen bringt für ein Unternehmen Risiken mit sich, weil die Mehrzahl der Frauen ihren Lebensschwerpunkt im häuslichen Bereich sieht. Daher arbeiten viele Frauen gerne teilzeit oder variabel. Für jeden Nutzen, den man erhält, muss man zahlen, in diesem Fall durch einen niedrigeren Lohn.



Die Gesamtanalyse der Autorinnen von "Silk and Steel" zeigt nicht nur die Tendenz zur Hausfrauisierung von Arbeit auf, die mit der Globalisierung einhergeht, sondern vor allem, dass diese Strategie für Frauen zu einer allgemeinen Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen geführt hat. Hinzu kommt, dass auch die Männer sich immer weniger verantwortlich für ihre Familien fühlen und Frauen und Kinder verlassen. Hausfrauisierung ist fürs Kapital die beste Strategie im Zuge der Globalisierung komparative Kostenvorteile zu realisieren. Für Frauen ist sie eine Katastrophe.

Immer und immer wieder: der Begriff Hausfrauisierung ist unbrauchbar. Klar ist, das Hausfrauenmodell funktioniert nur, wenn da ein Mann ist, der bereit ist sich zu knechten und das Geld zuhause abzuliefern.


Was bedeutet das für uns?

Sie können nun sagen: O.K. das ist Asien, Südkorea, Hongkong, . . . Was geht uns das an? Unser Problem ist, dass wir die Prozesse , die sich jetzt hier abspielen nicht verstehen, wenn wir glauben, das Kapital hätte andere Strategien, die Arbeit hier zu verbilligen als die, die es in den Billiglohnländern anwendet. Die früheren 630-DM-Jobs in Deutschland,heute den 500 Euro Jobs, die die Hartz-Kommission vorschlägt, basieren auf demselben Konzept der Hausfrauisierung von

Arbeit. Dieses Konzept geht davon aus, dass der Lohn für einen eine Arbeiterin nicht mehr die Reproduktionskosten dieser Person abdecken müsse, denn, ihre Arbeit sei ja nur „zusätzlich" zum Einkommen des Haupternährers

Doch wo sind die „Haupternährer" heute?

Man kann nicht beides haben. Wenn immer mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen, dann fällt der eine oder andere Haupternährer aus zugunsten der bessergebildeten Doppelverdiener.

Die alten Gegenstrategien reichen nicht mehr aus

Angesichts der Globalisierung und Liberalisierung des Weltmarkts, verbunden mit der oben beschriebenen "Deregulierung", "Flexibilisierung" bzw. "Hausfrauisierung" von Arbeitskraft reicht die traditionelle Gewerkschaftsstrategie nicht mehr aus. Für Frauen hat sie nie ausgereicht. Sie basiert nicht nur auf der patriarchalisch-kapitalistischen Trennung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Hausarbeit, sondern auch auf der Annahme, dass das Modell der westlichen Industriegesellschaft, sein Produktions- und Konsummuster im Zuge der "nachholenden Entwicklung" zu verallgemeinern sei. Alle bisher angeblich "rückständigen" Gesellschaften, Klassen, Rassen, Völker - und Frauen - sollten nach und nach auf den Stand der reichen Klassen in den reichen Ländern gebracht werden. Die Frauen sollten statusmäßig den privilegierten Männern "gleichgestellt" werden.


Ein interessanter Schlusssatz, die rückständigen Gesellschaften, Klassen, Rassen, Völker -und Frauen, das heißt doch, dass mit den Begriffen Gesellschaften, Klassen, Rassen und Völker die Frauen nicht beeinhaltet sind. Frauen sind also nicht Teil von Gesellschaften, Klassen, Rassen und Völkern, ein erstaunlicher Standpunkt.

Auch würde mich mal das Privileg der chinesischen Bergleute interessieren.

Und auch die Aussage, dass Frauen statusmäßig den privilegierten Männern gleichgestellt werden sollen, also nicht den Männern insgesamt, also den nicht privilegierten und den privilegierten, sondern ausschließlich den privilegierten Männern, das ist sehr erhellend.


Eine Strategie, die jedoch nur eine Umverteilung des ökonomischen Kuchens einfordert, z.B. von oben nach unten, oder größere Anteile für Frauen verlangt, ohne zu fragen, wie denn dieser Kuchen überhaupt zustande gekommen ist, welches seine Bestandteile sind, welche Bereiche unserer Realität kolonisiert werden müssen, um ihn backen zu können, eine solche Strategie macht sich Illusionen über die Wirklichkeit.

Für Frauen und Männer kann es angesichts der neuen weltweiten, patriarchalen Kapitalstrategie nicht mehr ausreichen, nur weiterhin mehr geschützte Lohnarbeitsplätze auf der Grundlage von Wirtschaftswachstum zu fordern. Innerhalb einer globalisierten kapitalistischen Wirtschaft können die Forderungen und Rechte bestimmter ArbeiterInnen stets unterlaufen werden durch ein Ausweichen auf billigere Arbeitskräfte in anderen Ländern und Regionen, durch weitere Ausplünderung der Natur und durch weitere Kolonisierung und Kriege.

Was mir immer noch nicht klar ist, wieso die Kapitalstrategie patriarchal sein soll? Die Kapitalstrategie ist weder patriarchal noch matriarchal, es ist die reine Gier und die ist bei Männern und Frauen in gleicher Weise vertreten. Und durch Kriege sind schon lange keine Völker mehr reich geworden.


Wir müssen uns Gedanken über ein ganz anderes Wirtschaftsmodell machen. Wir brauchen eine Wirtschaft, die nicht den einen das Brot stiehlt, damit andere Kuchen essen können. Eine solche Wirtschaft kann aber nicht mehr auf permanentem Wachstum, sei es kapitalistischer oder sozialistischer Natur, und darum auf der Kolonisierung von Frauen, Natur und fremden Völkern basieren (Mies 1988).Sie ist auch nicht durch „nachholende Entwicklung" oder eine blosse Verteilung des „gesellschaftlichen Reichtums" zu realisieren, wie viele immer noch glauben. Die Produktion dieses „gesellschaftlichen Reichtums" beruht immer auf Gewalt, Raub, und Ausbeutung von Mensch und Natur.

Frau Mies hat es nicht begriffen: Die Globalisierung stiehlt der 1. Welt den Kuchen, damit die 2. Welt genug Brot zum essen hat. So wird ein Schuh draus.

Eine solche nicht-wachstumsorientierte, nicht-koloniale, nicht-kapitalistische nicht-patriarchale Wirtschaft und Gesellschaft müsste auf grundlegend anderen Prinzipien als den uns bekannten aufgebaut sein. Dabei stehen nicht nur die Grenzen unseres Planeten im Vordergrund, sondern das Prinzip der Selbstversorgung, ein anderer Begriff von "gutem Leben", eine Kritik des Konsumismus, die Respektierung natürlicher Zyklen und die Schaffung neuer Verhältnisse zwischen Mensch und Natur, Mann und Frau, Stadt und Land, zwischen verschiedenen Völkern, Rassen und Ethnien (vgl. Bennholdt-Thomsen, Mies, v. Werlhof 1992, Mies/Shiva 1995). Um eine solche Wirtschaft zu konzipieren ist zunächst ein anderer Blick auf die Wirklichkeit notwendig. Wir nennen diesen Blick die Subsistenzperspektive (Bennholdt-Thomsen/Mies 1997).

Ach du gute Güte - Selbstversorgung. Die Zeit als Selbstversorgung das Prinzip der (dann wohl zwingenden) bäuerlichen Lebensform waren, das war die Zeit der regelmäßigen Hungersnöte, des Mangels, der Not. Was das gute Leben betrifft, da stimme ich zu. Zum guten Leben sollte die Hausfrau (oder der Hausmann) gehören. Das Glück nämlich gründet immer im Privaten. Die Produktion ist Mittel zum Zweck, kann ein Ort der Selbstentfaltung sein, ist es meist aber nicht. Sowohl Kapitalismus als auch Kommunismus überschätzen die Bedeutung des Kollektiven und Verachten das Private. Das Private, also die Familie, ist aber der lebendige Kern eines Volkes.
Neue Verhältnisse lassen sich schwer schaffen. Sie entstehen, wenn viele diese neuen Verhältnisse wollen und entsprechend leben. Sie entstehen nicht, wenn wenige eine Vision haben, die sie vielen aufzwingen wollen.

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