Mittwoch, 18. Dezember 2013

Michael Meuser
Die widersprüchliche Modernisierung von Männlichkeit.
Kontinuitäten und Veränderungen im Geschlechterverhältnis.
http://www.genderkompetenz.info/veranstaltungs_publikations_und_news_archiv/genderlectures/050523glhu 

Gender troubles

Ein Blick auf den Stand der Geschlechterverhältnisse zu Beginn des 21. Jahrhunderts lässt eine Gleichzeitigkeit von Veränderungen und hartnäckigen Persistenzen erkennen. Einerseits ist vieles in Bewegung geraten, brechen zahlreiche tradierte Muster der Regulierung der Beziehungen zwischen Frauen und Männern auf, andererseits besteht die gesellschaftliche Machtposition der Männer weitgehend fort. Veränderungen finden in mehreren Dimensionen statt. In der Berufswelt erobern sich Frauen immer neue Berufsfelder, die vormals den Männern vorbehalten waren. Kaum jemand wundert sich noch, wenn Busse oder Straßenbahnen von Frauen gefahren werden oder eine Polizistin bei einer Verkehrskontrolle zum Alkoholtest bittet. 30 Jahre zuvor war das noch gänzlich anders. Zwar gibt es weiterhin Berufe, in denen Männer unter sich sind, doch haben diese mehr und mehr den Charakter von Reservaten. Und wie bei sonstigen Reservaten ist ihr Bestand gefährdet. Zuletzt mussten dies die kämpfenden Einheiten der Bundeswehr erfahren. Der Eroberung „männlicher“ Berufsfelder durch Frauen korrespondiert freilich keine vergleichbare Bewegung in umgekehrter Richtung. Nur wenige Männer wollen Krankenpfleger, Erzieher im Kindergarten oder Sekretär werden. Das Überschreiten der Grenzen zwischen sog. Frauen- und Männerberufen ist bislang weitestgehend ein einseitiger Prozess.
Bevor ich mich mit dem Text befasse, will ich erst einmal den Autor in Augenschein nehmen: Michael_Meuser
Wollte ich polemisch sein, würde ich ihn einen der Hofsänger des Zeitgeistes nennen. Erschreckend, dass er im Bundesministerium für alles außer Männer für die Belange von Jungen zuständig ist. Ich denke, dazu fehlt ihm eine Menge Empathie, denn wer von der fortbestehenden gesellschaftlichen Machtposition von Männern spricht, übersieht die Ohnmacht von 99,99% der Männer und die besondere Ohnmacht der Jungen. Ich schätze, Herr Meuser trägt eine Augenklappe, denn er ist auf mindestens einem Auge blind.
Auch scheint mir, er habe zu viele Western gesehen. Seine Wortwahl legt nahe, dass er Männer als die Indianer, die Wilden des wilden Westens sieht, die von den erobernden Frauen, also der weißen Kavallerie, in die Reservate abgedrängt werden. Dass er ein solches Reservat ausgerechnet bei den kämpfenden Einheiten der Bundeswehr sieht, erscheint besonders pikant. Überzeugen würde mich ein Frauenbataillon, Frauen an der Front, ganz ohne Quote.

Unverkennbar sind auch die Veränderungen in den Familienbeziehungen. Der Wandel der Familie und der Wandel der Geschlechterverhältnisse sind in vielfältiger Weise ineinander verwoben. Mit der Pluralisierung der Familienformen ist das Geschlechterarrangement der traditionellen bürgerlichen Familie in arge Bedrängnis geraten. Dieses Arrangement, in dem
der Mann als Ernährer der Familie den ihm anvertrauten Familienmitgliedern, also Frau und Kindern, ein von finanziellen Sorgen freies Leben ermöglicht und die Frau die Aufgaben von Kinderaufzucht und Haushalt als den ihr gemäßen Bereich fraglos übernimmt, war zwar immer schon von vielen Familien nicht zu realisieren; als normatives, von der Mehrheit der Bevölkerung gestütztes Ideal hat es jedoch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts Bestand gehabt. Das gilt zumindest für den Westen Deutschlands, für die alte Bundesrepublik; sondern auch im Westen Deutschlands die Frauen in gleicher Weise wie die Männer eine Berufsorientierung geltend machen und dies gegebenenfalls auch gegen den Widerstand ihres Ehemanns oder Partners durchsetzen und in dem andererseits immer mehr Männer, bedingt durch den Strukturwandel der Erwerbsarbeit und eine wachsende  strukturelle Arbeitslosigkeit, ihre Berufsorientierung nicht mehr selbstverständlich in eine lebenslange Erwerbsbiographie umsetzen können, verliert das bürgerliche Familienmodell gewissermaßen sein „Personal“. Zugleich ist das traditionelle familiale  Geschlechterarrangement gefährdet. Auch in der familialen Dimension sind es mehr die Frauen als die Männer, welche proaktiv einen Wandel herbeiführen.
Diese Pluralisierung der Familienformen, wie sieht die eigentlich aus? Und wer praktiziert diese Pluralisierung und wer zahlt den Preis. Tatsache ist, dass den Preis die Gesellschaft zahlt und die Kinder. Denn 40% der alleinerziehenden Frauen benötigen zum Überleben noch Transferleistungen. Und die Abwesenheit des leiblichen Vaters in den Patchworkarrangements schaden den Buben und den Mädchen. Diese Pluralisierung entwickelt sich zu einem zusätzlichen Armutsrisiko für die Unterschicht, während die gut Ausgebildeten und Erfolgreichen weiterhin das Ideal der bürgerlichen Ehe hoch halten und praktizieren, haben die Armen ein zusätzliches Handicap. Bürgerlich zu sein, das war das Ideal der Arbeiterin, genau so wie der Wunsch, nicht mehr in Fabrik und Büro malochen zu müssen. Nichts ist für einen Mann angenehmer, als eine Frau, welche ihr eigenes Geld verdient. Ein Zustand, der in Arbeiterhaushalten vor 1933 die Regel war.

Gravierende Veränderungen sind im Bildungsbereich zu verzeichnen. Die besseren schulischen Leistungen der Mädchen sind in jüngster Zeit ein Dauerthema der Presseberichterstattung. Jungen geraten in diesem Bereich ins Hintertreffen. Das erzeugt bei vielen Verunsicherungen und Ressentiments. Auch wenn die männliche Herrschaft fraglich geworden ist, bestimmt das Leitbild einer hegemonialen Männlichkeit weiterhin die männliche Geschlechtsidentität. Schlechter als Mädchen abzuschneiden wird vor diesem Hintergrund als Entwertung der eigenen Person erfahren. Vermutlich werden die jungen
Männer, die heute mit schlechteren Noten die Schule verlassen, in zehn bis 15 Jahren in ihrer beruflichen Karriere weiter vorangekommen sein als ihre Mitschülerinnen. Aber das kann sich ändern, sollte sich der Trend der letzten Jahre fortsetzen; und dann wäre eine zentrale Säule männlicher Herrschaft – Beruf und Karriere – ernsthaft einsturzgefährdet.
Wer fällt in der Schule zurück? Alle Jungen? - Nein, die Jungen aus Einwandererfamilien, die Jungen aus den unteren sozialen Schichten und die Jungen mit einem problematischen sozialen Umfeld, z.B. die Kinder von alleinerziehenden Müttern ohne feste männliche Bezugspersonen. Was hier so vollmundig als männliche Herrschaft bezeichnet wird, war de facto männliche Verpflichtung. Der Mann wurde zum Funktionsträger der Gesellschaft zurechtgestutzt zum Nutzen von dieser und von seiner Familie. Das sogenannte Familienoberhaupt war letztlich der Knecht seiner Familie, diese "Ehre" teuer erkauft. Keines Menschen Herr und keines Menschen Knecht zu sein, das ist wahre Freiheit. Immer mehr Männer entscheiden sich für diesen Weg.

 Das Wertesystem der deutschen wie vieler anderer westlicher Gesellschaften ist hinsichtlich der Beziehungen der Geschlechter in wachsendem Maße vom Ideal der Gleichheit geprägt.
Nicht zuletzt bewirkt durch die Kritik, welche die Frauenbewegung an der männlichen Herrschaft geübt hat, hat sich zumindest eine Rhetorik der Gleichheit durchgesetzt. Dies ist auch bei Männern zu beobachten. Vergleicht man Befragungen von Männern, die in den
1970er und 1980er Jahren durchgeführt wurden (Pross 1978; Metz-Göckel/Müller 1986), mit einer neueren Studie (Zulehner/Volz 1998), dann findet man eine wesentlich größere Orientierung an egalitären Werten und eine höhere Gewichtung eines Engagements in der Familie. Es ist bekannt, dass diesem Einstellungswandel noch keine entsprechend veränderte Praxis korrespondiert. So machen nur ca. zwei bis fünf Prozent der berufstätigen Väter (die Angaben variieren je nach Quelle) von dem Recht auf Elternzeit Gebrauch. Man kann das mit Ulrich Beck als „verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“ (Beck/Beck-Gernsheim 1990, S. 31) bezeichnen. Gleichwohl, eine Rhetorik der Gleichheit hat sich vor allem unter jungen Männern durchgesetzt. Während viele ältere Männer sich noch als Ernährer und Oberhaupt der Familie bezeichnen, verwenden junge Männer dieses Vokabular nicht mehr, wenn sie ihre Position in Partnerschaft und Familie beschreiben (Meuser 1998).
Ein ungebrochenes patriarchales Selbstverständnis hat unter jungen Männern nur noch geringe Verbreitung – auch dann, wenn der Mann faktisch mit seinem Einkommen den
Unterhalt der Familie ganz oder größtenteils bestreitet.
Das Ideal der Gleichheit ist so neu nicht. Als die Ehen noch arrangiert waren, haben schon die Eltern auf Gleichheit geachtet (Geld zu Geld, Land zu Land). Mögen die Rollen in der Familie verschieden gewesen sein, was nicht zuletzt durch die Lebensumstände unabdingbar war, meist haben sozial Gleiche geheiratet. In den Arbeiter- wie den Bauernfamilien mussten Mann und Frau arbeiten. Sowohl in den Arbeiter- als auch in den Bauernfamilien verwaltete in der Regel die Frau das Geld. Erst der Fordismus nach dem Ersten, in Deutschland dann ausgeprägt nach dem 2. Weltkrieg, machte es möglich, dass die Frau nicht arbeiten musste. Mit Freuden verliesen die Frauen die ungeliebten Fabriken und Büros und privatisierten. Männe durfte weiter malochen gehen. Dass hier dann in der Familie ein Machtgefälle entstand, das auch von manchen Männern ausgenutzt wurde, ist nicht überraschend. Vielleicht war das aber auch der Ausgleich für die beruflich zu schulternde Last. Dass heutige Männer keine Anerkennung und keinen Ausgleich dafür erhalten, wenn sie ihre Familie weitgehend allein finanzieren, zeigt, wie uninteressant solch ein Lebensmodell für einen jungen Mann ist.

All diese Entwicklungen haben zwar die gesellschaftliche Dominanz des männlichen Geschlechts bislang nicht ernsthaft ins Wanken bringen können – zwar sind immer mehr Frauen erwerbstätig sein und verfügen zudem über immer bessere Bildungsvoraussetzungen als gleichaltrige Männer, die Führungspositionen in Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Verwaltung und Politik bleiben jedoch mit wenigen Ausnahmen in Männerhand. Allerdings
haben diese Entwicklungen zumindest eines zur Folge: Die fortbestehende männliche Herrschaft steht unter einem wachsenden Legitimationsdruck, sie setzt sich „nicht mehr mit der Evidenz des Selbstverständlichen“ durch, wie Pierre Bourdieu (1997b, S. 226) zu Recht
diagnostiziert hat.
Ich bestreite nicht, dass es eine männliche Dominanz in Staat und Gesellschaft gibt. Allein beim Sport ließe sich das zeigen, und zwar wenn man die Trennung in Männersport und Frauensport auflösen und die Geschlechter im freien Wettbewerb gegeneinander antreten liese. Dann fände man die weiblichen Sportler bei Wettbewerben abgesehen vom Langstreckenschwimmen in der Regel unter ferner liefen. Und das gilt nicht nur beim Sport, sondern auch bei Disziplinen, bei denen der Intellekt eine Rolle spielt: Mathematik, Schach, Physik, Chemie, Ingenieurswissenschaften, Malerei, Musik, Philosophie, ...) Es gibt wenig Disziplinen, bei denen man nicht auf Frauen verzichten könnte, ohne dass der Output geringer würde. Vielleicht bringt das weibliche Geschlecht eben einfach weniger Extrembegabungen hervor, als das männliche. Vielleicht ist das weibliche Geschlecht einfach durchschnittlicher, risikovermeidender und passiver als es Männer sind. Und den Mangel an Begabung, an Risikobereitschaft, an Mut und Entschlossenheit kann auch ein noch so großer Fleiß nicht ausgleichen. Frauen kommen durch Schutzräume, durch Hilfskonstruktionen, durch Schiebung nach oben, nicht aus eigener Kraft. Sie nutzen die von Männern geschaffene Infrastruktur, sie schaffen keine eigene.

Gesellschaften, welche durch Frauen dominiert werden, sind sterbende Gesellschaften oder Gesellschaften am Rande des Existenzminimums. Mosuo

Wir dürfen auch nicht vergessen, wer im Kampf der Geschlechter tatsächlich gegeneinander antritt: Mann gegen Mann und Frau gegen Frau.

Denn beim Kampf der Geschlechter geht es letztlich um Reproduktion, um Kinder. Wer bekommt den besten Mann und wer die beste Frau.

Und vielleicht ist, das was hier immer als hegemoniale Männlichkeit herumgeistert nichts anderes, als der schön dekorierte Balzplatz der Laubenvögel Laubenvögel. Ein Signal, das Fitness zeigen soll.

Und das Bemühen der Frauen um Schönheit, dieses Überbetonen ihrer weiblichen Reize nicht anderes als die Schwanzfedern des Pfaus. Ein Signal, das Gesundheit zeigen soll.

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